Protest, Klamauk und ein vorhersehbares Ergebnis

bvv
 
Als das Abstimmungsergebnis am Mittwoch eineinhalb Stunden vor Mitternacht bekannt gegeben wurde, kam nochmal Stimmung auf: Buh-Rufe, Trillerpfeifen, Lärm.
Erwartungsgemäß wurde der Haushalt in der Fassung der rot-grünen Zählgemeinschaft mit 35 Ja- zu 18 Neinstimmen angenommen – ebenso erwartungsgemäß waren zuvor alle Änderungsanträge der “Opposition” mehrheitlich abgelehnt worden. Damit ging eine BVV-Sitzung zu Ende, wie es sie in Pankow wohl nicht nur wegen ihrer außerordentlichen Länge noch nicht viele gegeben haben dürfte.

Protest in der BVV: Transparente und rote Karten

Eine gute Stunde vor Beginn der BVV-Tagung, auf der der Bezirkshaushalt für die nächsten zwei Jahre beschlossen werden sollte, hatten sich gut dreihundert Menschen vor dem BVV-Gebäude versammelt, um gegen Aufgabe von bezirkseigenen Immobilien zu protestieren.
Ein Großteil der Demonstranten begab sich danach in den Sitzungssaal – der Platz reichte nicht aus, die zuletzt gekommenen blieb nur noch ein Platz im Treppenhaus. Mit dabei gatten sie ihre Transparente, Plakate und roten Karten. Letztere hoben einige Besucher bei der einen oder anderen Abstimmung in die Höhe – was BVV-Vorsteherin Sabine Röhrbein erst irritierte (sie zählte die Karten prompt als Stimmen mit) und dann verärgerte.

Liss C. Werner (DIE PARTEI): Sorgte für...

Bei der Bürgerfragestunde zu Beginn der Tagung war fast die gesamte ehemalige Prenzlauer Berger Wahl-Kandidatenriege der Partei DIE PARTEI angetreten. Während Stephan Alutis sich darüber empörte, dass “auf der Liste der zu schließenden Objekte nur 15 so kleine” stehen, wollte Stefan Valentin vorschlagen, Pankows nicht großes ökonomisches Potential durch die Ansiedlung von Großkonzernen auf dem Gelände des Thälmannparks zu stärken. So könnte dort etwa die Firma K&S ein Endlager für hochgiftige Filterstäube errichten. Leider kam er wegen des Ablaufs der Zeit für die Bürgerfragestunde nicht mehr ans Rednerpult.
Liss C. Werner hingegen kam noch dran und wollte lieber “einige leere Gebäude als Stätten für das nachhaltige atomare Endlager Pankow/Prenzlauer Berg” nutzen. Während ihr

...späte Bechtler-Pointe: ''Das ist eben mein Temperament''

Verlangen nach solcherart strahlender Zukunft von jedermann gelassen hingenommen wurde, brachte ein anderer Teil Liss C. Werners Anfrage zumindest einen Anwesenden aus der Balance. “Erhoffen Sie sich vom Kulturabbau, die Gentrifizierung durch Schwaben, insbesondere in Prenzlauer Berg, in den Griff zu bekommen?” Dass war für Cornelius Bechtler, Vorsitzender sowohl der Grünen-Fraktion, als auch des BVV-Haushaltsausschusses, zuviel. In einem für seine Verhältnisse fast schon wortgewalttätigen Ausbruch der Empörung stellte er drei Dinge ein für allemal klar: Erstens wohne er schon seit zwanzig Jahren in Berlin, zweitens sei er überhaupt kein Schwabe und drittens sei Werners Satz fremdenfeindlich.
Dass es sich bei der ganzen Angelegenheit um einen hoch satirischen Auftritt handelte, war ihm offenbar entgangen.

Nach Ende der BVV-Tagung befragt, woher denn seine extreme Dünnhäutigkeit herrühre, antwortete der Haushaltspolitiker: “Das ist eben mein Temperament.” Allein wer Bechtlers Rede zum rot-grünen Haushaltsentwurf beiwohnen durfte, ohne dass sein Haupt dem Vordermann auf die Schulter fiel, kann die Qualität dieser Pointe ermessen…


Schelte für das Bezirksamt, Lob für die KLR und Warnungen vor einem Schnellschuss

Klaus Mindrup:
Lobgesang auf die ''Kosten-Leistungs-Rechnung''

Nach Bürgerfragestunde und des Durchwinkens einer “Konsensliste” begann dann aber der Ernst des Abends.
Klaus Mindrup, haushaltspolitischer Sprecher der SPD-Fraktion verwies auf die im Ursprungsentwurf in siebenstelliger Höhe “versteckten” Summen, die erst durch die Arbeit der Bezirksverordneten zutage gefördert worden seien. Mit diesen Mitteln sei es möglich geworden, die ins Auge gefassten Schließungen von Kultureinrichtungen abzuwenden.
Im Gegensatz zu allem, was man in den vergangenen Wochen parteiübergreifend gegen die sogenannte “Kosten-Leistungs-Rechnung” gehört hatte, mit der der Senat, die Bezirke zwingt, sich gegenseitig bei den Ausgaben zu

Überfüllter Zuschauertrakt:
Die Bezirkspolitiker überzeugten die Anwesenden nicht

unterbieten, sang Mindrup ein Hohelied auf dieses Instrument. Wenn man die Spielregeln beachte, könne man sehr wohl gut damit arbeiten. Er nannte als Beispiel die Musikschule, für die durch ein Aufstocken der Angebote mit Hilfe jener Rechnungsart zusätzliche Mittel erwirtschaftet werden.
Und: Wer ernsthaft die Abschaffung der KLR fordere, würde von den Vertretern aller Parteien im Abgeordnetenhaus ausgelacht werden.
Vehement verteidigte Klaus Mindrup die Weggabe bezirklicher Grundstücke wie jenes des Bezirksamtsgeländes an der Fröbelstraße. Bei einem Sanierungsstau im Wert von 100 Millionen Euro bei den Pankower Schulen könne man nicht 10 Millionen für den Erhalt des Verwaltungsstandortes ausgeben. In diesem Zusammenhang mahnte er eine Veränderung der

Johannes Kraft: Warnung vor einem Schnellschuss

Regeln für den Liegenschaftsfonds an – eine Vergabe von Grundstücken in Erbbaupacht, wie für die Fröbelstraße von Rot-Grün angestrebt, ist derzeit nämlich überhaupt nicht möglich.

Johannes Kraft, Fraktionsvorsitzender der CDU, warf dem Bezirksamt Versagen vor. Einen Haushaltsentwurf “in Wahrheit und Klarheit” aufzustellen, wäre die Aufgabe des Amtes gewesen. Dieser Pflicht sei man jedoch nicht nachgekommen.
Mit der Absicht, etwas gegen die Immobilienkosten zu unternehmen sah sich Kraft durchaus eins mit Rot-Grün, jedoch kritisierte er die Eile, mit der dies durchgezogen werden soll. Ob die nun geplante Abgabe tatsächlich die

''Das Bezirksamt ist seiner Aufgabe nicht nachgekommen''

erwünschte Entlastung bringe, so Kraft, müsse erst noch geprüft und mit Zahlen unterfüttert werden. Er warnte vor einem “Schnellschuss“ und erinnerte daran, dass andere Kommunen mit dem Verkauf eigener Verwaltungsgebäude und der dadurch erforderlichen Anmietung von Büroräumen “nicht nur positive Erfahrungen” gemacht haben.
Auch bei der vorgesehenen Abgabe des Kulturareals im Thälmannpark kritisierte er die Hektik des Vorgehens: “Sie sagen, Sie machen ein Treuhandmodell. Und Sie sagen auch gleich noch, an welchen Treuhänder das Gelände abgegeben werden soll.” Der CDU-Fraktions-Chef appellierte an die rot-grüne Mehrheit, man möge in den kommenden Monaten über diese Fragen in Ruhe miteinander zu reden.


Kultur „gerettet“ – Senioren bleiben auf der Strecke

Michael van der Meer: Fünf Jahre erfolglos um einen Kulturentwicklungsplan gerunngen

Linksfraktionsvorsitzender Michael van der Meer erinnerte daran, dass vor knapp einem Jahr alle zwölf Berliner Bezirksbürgermeister einstimmig vom Senat eine Erhöhung der Überweisung in dreistelliger Millionenhöhe an die Bezirke gefordert hätten. Seit nach den Wahlen vom vergangenen September fast nur noch SPD-Bürgermeister den Bezirken vorstehen, sei es jedoch um die Durchsetzung dieser Forderung ziemlich still geworden.

Michael van der Meer begrüßte zwar ausdrücklich, dass es nun doch noch gelungen sei, Schließungen von Kultureinrichtungen zu vermeiden,– die Weggabe der Immobilien hielt er jedoch für “fatal und falsch”. Es werde

Doris Syrbe: Senioren brauchen ihre Begegnungstätte

im Gegensatz zu der von der rotgrünen Zählgemeinschaft gemachten Behauptung keine finanzielle Entlastung durch die Weggabe der Grundstücke geben. Deutlich wandte sich der Linksfraktionvorsitzende gegen die Schließung der Seniorenfreizeitstätte Stille Straße. Die Höhe der für den Weiterbetrieb der Einrichtung benötigten Haushaltsmittel sei lächerlich gering.
Die Vorsitzende des Beirates der Begegnungsstätte Doris Syrbe erinnerte daran, dass es gerade mal zwei Jahre her ist, dass die Bezirksverordnetenversammlung den Fortbestand des Seniorentreffpunkts beschlossen hatte. Dem sei ein Gutachten vorausgegangen, das aufgezeigt habe, dass gerade dieser Standort für viele alte Menschen wichtig, wenn nicht gar unersetzlich ist. Sie äußerte ihr Unverständnis darüber, dass das Wort der Bezirkspolitik nur so kurze Zeit Bestand hat.

Axel Bielefeldt:: Vergeblicher Antrag

Der Appell von Doris Syrbe an die Bezirksverordneten verhallte ebenso ungehört, wie ein Antrag von Axel Bielefeldt, sozialpolitischen Sprecher der Linksfraktion, in dem er den Erhalt der Senioreneinrichtung forderte.
Letztlich war es einer von insgesamt vierzehn Änderungsanträgen zum Haushaltsentwurf, von denen nicht wenige die Bezirksverordneten erst kurz vor oder während der Tagung erreichten. Ein Umstand, der den Piraten Jan Schrecker dazu brachte, vor der BVV zu erklären, dass es ihm nicht möglich sei, diese Masse an Papier – oft noch eng mit allerlei Zahlenkolonnen bedruckt – in so kurzer Zeit zu prüfen und er sich daher außerstande sähe, ein entsprechendes Votum abzugeben.
 

 

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