Wie die „Wabe“ Pankow rettet

Seit Mittwoch sitzt Ursula Kleinert hinter dem Kassentresen am Eingang der “Wabe” im Thälmannpark. Denn jene Honorarkraft, die bisher die Eintrittskarten verkauft hatte, muss seit dem 1. Februar zu Hause bleiben – sie ist dem Notstands- Edikt von Kulturstadtrat Torsten Kühne zum Opfer gefallen. Also muss die Leiterin der “Wabe” die Tickets nun selbst ausgeben – denn auf das Eintrittsgeld zu verzichten, geht gar nicht: Es ist oft die einzige Quelle, aus der die auftretenden Künstler bezahlt werden.
“Normalerweise bin ich vor Beginn einer Veranstaltung im Foyer”, erzählt Ursula Kleinert; “nach den Gästen schauen, Fragen beantworten, Erste Hilfe leisten, den Überblick behalten…

Im Saal laufen die Proben für die abendliche Veranstaltung. Ein Vorentscheid für den Internationalen Songwriterwettbewerb „Troubadour Minstrels“ steht auf dem Programm. „Troubadour“ ist ein Wettbewerb, bei dem die Künstler ausschließlich mit akustischen Instrumenten auftreten. Organisiert wird die Veranstaltungsreihe von der aus den USA stammenden Prenzlauer Bergerin Mckinley Black. Sie war mit dem Wettbewerb, der seit 2009 in der „Wabe“ stattfindet, zuvor im „Quasimodo“ und im Schlot. Die Wabe, sagt Mckinley Black, sei etwas ganz Besonderes: „Hier kann man auch mit Künstlern auftreten, die noch keinen großen Namen haben –

und sie werden von Publikum angenommen. Das ist nicht überall so.“

Vom Kinderkarneval bis zum Rockkonzert, vom “Local-Heroes”-Wettbewerb Berliner Nachwuchs-Bands über Tanzvorstellungen, Filmvorführungen bis hin zu Theaterinszenierungen – das Programm der Wabe ist vielfältig, die hier auftretenden Künstler kommen aus der ganzen Welt. Und sie kommen gern, denn die Arbeitsmöglichkeiten sind auch technisch hoch professionell und die Veranstaltungen gut besucht. Noch. Denn jedes Programm bedarf der Werbung: Plakate, Flyer, Infomationsmaterial. Auch das fällt nun dem

Spar-Edikt zum Opfer. Ebenso wie Bedienung der teuren Technik. “Das muss man heutzutage studiert haben”, erklärt Ursula Kleinert. Einen Toningenieur habe man bisher dafür auf Honorarbasis beschäftigt. “Der Mann hat Aufträge bis nach New York.” Auch für ihn gibt es nun kein Geld mehr.
Stattdessen steht Moritz Wien hinter dem Mischpult, der eigentlich für die Beleuchtung zuständig ist. Dessen bisherige Aufgabe auf dem Beleuchterhochsitz übernimmt nun Bühnentechniker Norbert Zühlke. Das heißt aber auch: Während einer Vorstellung darf auf der Bühne kein Kabel lose

werden, kein Stecker wackeln – sonst ist das Programm erst einmal unterbrochen. Krank werden darf keiner von beiden, denn dann wäre die Veranstaltung nicht mehr zu realisieren.
Die Mitarbeiter des vom Bezirk engagierten Wachschutzunternehmens, die speziell für die Arbeit bei Kulturveranstaltungen geschult wurden, sind noch da – obwohl die Firma ihren Vertrag nicht verlängert bekam und daher seit Jamuar auch kein Geld mehr erhält. “Die hoffen immer noch,” vermutet Ursula Kleinert, „dass sie das irgendwie nachbezahlt bekommen.“
Dass ab sofort auch die Garderobe der “Wabe” geschlossen bleibt, weil jene paar Euro, die die sonst dort ihren Dienst

tuende Honorarkraft erhält, ebenfalls für die Rettung Pankows vor dem finanziellen Untergang benötigt werden, erscheint bei all den anderen Einsparungen fast schon wie eine Petitesse.
Vor allem aber: Der Sinn des ganzen erschließt sich nicht. Für eine Summe, die das Monatsgehalt eines Bezirksstadtrates kaum übersteigen dürfte, wird hier ein weit über die Grenzen des Bezirkes hinaus bekannter Kulturort sehenden Auges an die Wand gefahren. Denn nicht die paar Groschen für die – unabdingbar notwendigen – Honorarkräfte fallen finanziell ins Gewicht, sondern der Unterhalt der Immobilie. Das Gebäude aber kann man nicht mal einfach zusammenklappen und in die Ecke stellen. Auch dann nicht, wenn der Spielbetrieb durch die aberwitzigen “Notstandsvorgaben” zum Erliegen kommt. Mehr noch: da ein Teil der Einnahmen an den Bezirk abgeführt werden, käme hinterher möglicherweise sogar noch ein Minus heraus.

Veranstaltungen werden nicht von Heute auf Morgen geplant. Der Vorlauf erstreckt sich über Monate. “Zweiundzwanzig Jahre lang habe ich immer zu meinem Wort stehen und jeden Vertrag mit meinen Künstlern erfüllen können,” sagt Ursula Kleinert. Und sie hofft, dass sich daran nichts ändert.
 

 

 

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