Im Juni dieses Jahres stellte der Immobilienkonzern „Deutsche Wohnen SE“ im BVV-Ausschuss für Stadtentwicklung der Pankower Bezirksverordnetenversammlung (BVV) seine Modernisierungs- und Neubaupläne für das 1930erJahre-Wohnareal zwischen der Grellstraße und der Prenzlauer Allee vor. Anfang August verkündete der zuständige Bezirksstadtrat Vollrad Kuhn (Bündnis 90/Die Grünen) den Abschluss einer Vereinbarung mit der „Deutsche Wohnen“, die eine für die Mieter sozialverträgliche Modernisierung absichern soll. Doch „auf Wunsch der Deutsche Wohnen“, wie Stadtrat Kuhn auf der BVV-Tagung am vergangenen Mittwoch erklärte, blieb dieser Vertrag bisher unter Verschluss. Die Prenzlberger Stimme veröffentlicht ihn nun im Wortlaut.
Noch in der Sommerpause forderte der Stadtentwicklungssausschuss der Pankower BVV vom Bezirksamt, eine Umstrukturierungssatzung Schutz der Mieter in den betroffenen Wohnhäusern aufzustellen. Das Stadtentwicklungsamt folgte dem nicht – und handelte stattdessen eine Vereinbarung mit dem Unternehmen aus, die eine sozialverträgliche Modernisierung sichern soll.
Der gesamte Text, den die Prenzlberger Stimme am Ende des Artikels zum Herunterladen bereitstellt, ist angefüllt mit Formulierungen, die im Falle eines Falles recht unterschiedliche Interpretationen zulassen.
So heißt es beispielsweise, die Deutsche Wohnen werde sich „konsequent dafür einsetzen, mit den Mietern individuelle und sozial verträgliche Lösungen zu vereinbaren.“ Um dann einzuschränken: „Wirkt ein Mieter dabei nicht mit, so ist dies nicht der Deutschen Wohnen vorzuwerfen.“ Bis zu welcher Grenze eine „Mitwirkung“ für den Mieter zumutbar ist, bleibt dabei ebenso offen, wie die Frage, wer darüber entscheidet, was eine „fehlende Mitwirkung“ ist.
Mögliche Luxusmodernisierungen abgenickt – unklare Härtefallregelungen
Offenbar hat die „Deutsche Wohnen“ – anders als in der gemeinsamen Presseerklärung von Bezirksamt Immobilienkonzern im August suggeriert – ins Auge gefasst. Anders jedenfalls lässt die Formulierung „diese Maßnahmen dienen überwiegend (sic!) der Herstellung eines zeitgemäßen Gebäudestandard“ kaum interpretieren.
Noch deutlicher wird das – offensichtlich vom Fachbereich Stadterneuerung des Bezirksamtes akzeptierte – Ansinnen des Immobilienkonzerns, über die normalen Standards einer Sanierung im Millieuschutzgebiet hinauszugehen, bei folgendem Passus:
„Sofern die Mietwohnung nicht nur lediglich in einen Zustand versetzt wird, der allgemein üblich ist und den veröffentlichten Prüfkriterien in den Erhaltungsgebieten entspricht, darf die Bruttowarmmiete bei finanziellen Härtefällen nach einer Modernisierung 30 Prozent des Nettohaushaltseinkommens der Mieter nicht übersteigen.“
Was „finanzielle Härtefälle“ im Sinne der Vereinbarung sind, wurde nicht näher beschrieben. Auch nicht, ob in anderen Fällen die Miete auch bis 50 oder 70 Prozent des Einkommens betragen könnte.
Zu all dem passt, dass das Bezirksamt es nicht einmal geschafft hat – wie sonst in solchen Fällen üblich – die „Mieterberatung Prenzlauer Berg“ zur Abwicklung der Vereinbarung einzusetzen. Die wird stattdessen durch eine „externe Mieterbetreuungen der Deutsche Wohnen“ erfolgen, die naturgemäß dem Eigentümer verpflichtet ist. Die Mieterberatung Prenzlauer Berg darf lediglich „den Sanierungsprozess begleiten und die Einhaltung der vereinbarten Lösungen überprüfen“.
Bezirksverordnetenversammlung besteht auf strenger Kontrolle
Angesichts der Unwägbarkeiten reagierte die BVV in der vergangenen Woche mit einem Beschluss, in dem sie ihre Anforderungen an das Modernisierungsverfahren festlegte.
Offen stellten sich die Bezirksverordneten gegen die in der Vereinbarung vom Bezirksamt unwidersprochenen Bestrebungen der „Deutsche Wohnen“, mietpreistreibende Luxusmodernisierungen durchzuführen.
„Es werden nur Maßnahmen durchgeführt“ heißt es in dem BVV-Beschluss, „die zur Erreichung des zeitgemäßen Ausstattungszustands einer durchschnittlichen Wohnung unter Berücksichtigung der bauordnungsrechtlichen Mindestanforderungen zwingend erforderlich sind.“
Darüber hinaus wurde klargestellt, dass von einer sozialen Härte i m m e r auch schon dann auszugehen ist, wenn die Brutto-Warm-Mietkosten ein Drittel des verfügbaren Haushaltsnettoeinkommens übersteigen.
Abschließend forderten Bezirksverordneten das Bezirksamt auf, „gemeinsam mit beauftragten Institutionen“ gemeint ist hierb die Mieterberatung Prenzlauer Berg – „die Einhaltung der Vereinbarung sowie die Durchsetzung dieser Rahmenvorgaben zu kontrollieren und durchzusetzen.“ Desweiteren habe das Bezirksamt der BVV „zu jeder zweiten Sitzung eine Sachstandsbericht vorzulegen.“
Zum Herunterladen der „geheimen“ Vereinbarung HIER ANKLICKEN
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heiner funken
Okt 08. 2017
ein lausiges machwerk. von amtswegen einen derartigen „vertrag“ zu unterschreiben zeugt von hilfslosigkeit und einfallslosigkeit.
das ding ist nix, vor allem zeigt es, daß die mieter in bezirkspolitik und verwaltung keine hilfe haben.
das einzige was ich verstehe ist, daß politik u. verwaltung auf das geheimhaltungsverlangen der deutschen wohnen eingegangen sind. der vertrag wäre mir auch so peinlich gewesen, daß ich ihn lieber geheim gehalten hätte.