Mieterversammlung „Deutsche Wohnen“ Grellstraße: Geballtes Misstrauen


 

Die Deutsche Wohnen SE hat Prinzipien. Und die wurden – leicht bizarr anmutend – auch bei der Mieterversammlung für den Wohnkomplex Grellstraße/Prenzlauer Allee durchgesetzt.

Die vor den Mietern bis dahin geheim gehaltene „Gemeinsame Vereinbarung über den sozialverträglichen Ablauf von Sanierungsmaßnahmen“, die Bezirksamt und „Deutsche Wohnen“ für den Wohnkomplex Grellstraße/Prenzlauer Allee abgeschlossen hatten, war zur Mieterversammlung im im Tagungssaal der Pankower Bezirksverordnetenversammlung (BVV) am Montag lediglich als ein einziges, in Klarsichthüllen verpackt und auf einen Tisch festgeklebtes Exemplar zu betrachten.

Eins für rund 150 erschienene Anwohner. Warum dieses seltsame Gebaren? „Weil das ein Privatvertrag ist!“, sagt „Deutsche Wohnen“-Sprecherin Manuela Damianakis Mehr habe sie dazu nichts zu sagen.
 

Vertrauen schafft man so wohl nicht.
 

Bezirksverordnete forderten Umstrukturierungssatzung

Die Unruhe in den zwischen der Grellstraße, der Prenzlauer Allee und der Ringbahntrasse währte schon länger.

Im April hatte der Immobilienkonzern „Deutsche Wohnen“ Mieterhöhungen angekündigt. Viele Mieter wollten das nicht hinnehmen und legten Widerspruch ein. Die Erhöhungen wurden auf Eis gelegt. Im Juni gab die „Deutsche Wohnen“ dann bekannt, die Häuser aus den 1930er Jahren modernisieren zu wollen. Darüber hinaus sollen auf Bestandsbauten zwei Stockwerke aufgesetzt sowie ein Neubau errichtet werden.

Nicht nur die Anwohner, auch die Bezirksverordneten waren nun alarmiert. Denn zum einen wohnen dort sehr viele einkommensschwache Menschen, zum anderen steht der Konzern in dem Ruf, eine rigorose Mieten- und Verdrängungspolitik zu fahren. Nicht als Selbstzweck, sondern um die Renditeerwartungen der Aktionäre zu befriedigen.

Also forderte der Stadtentwicklungsausschuss der BVV noch in der Sommerpause vom Bezirksamt, für das in einem Millieuschutzgebiet befindliche Areal Umstrukturierungssatzung zum Schutz der Mieter zu erlassen.
Der zuständige Bezirksstadtrat Vollrad Kuhn ignorierte die Aufforderung „wegen des zu engen Zeitrahmens und aus materiellen Gründen”, wie er in einer Pressemitteilung schrieb. Welche „materiellen Gründe“ es gewesen sein könnten, war nicht zu erfahren.
Stattdessen wurde vom Bezirksamt mit der „Deutsche Wohnen“ eine Vereinbarung eine sozialverträglichen Modernisierung ausgehandelt, deren Wortlaut nach dem Willen des Konzerns geheim bleiben sollte. Die Prenzlberger Stimme hatte die Vereinbarung schließlich hier veröffentlicht. Sie enthält nicht viel mehr, als die gesetzlichen Bestimmungen ohnehin vorschreiben.

 

Bezirksverordnete forderten Umstrukturierungssatzung

Das Misstrauen ist in dem gut besetzten Saal mit den Händen greifbar. Die Berichte über den Konzern, über dessen rigide Mietenpolitik, sind hier bekannt.

Immer wieder fragen die Mieter nach der zu erwartenden Miethöhe, immer wieder versichert Manuela Damianakis:„Keiner von Ihnen wird nach der Modernisierung mehr als 30 Prozent seines Haushaltsnettoeinkommens zahlen“.
Doch die Mieter, denen zuvor ein Vortrag mit „Vorher-Nachher“-Bildern dargeboten wurde, bleiben auch nach der x-ten Wiederholung der Zusicherung skeptisch. Stets auf Neue ist der Satz zu hören: „Das glaube ich nicht“

Schließlich wird Ulf Heitmann, Geschäftsführer der Genossenschaft „Bremer Höhe“, der die Veranstaltung moderiert, des geballten Unglaubens überdrüssig: „Den Glauben“, meint er halb genervt, halb ironisch, „lassen wir jetzt mal in der Kirche.“ Denn schließlich habe sich das Unternehmen gegenüber dem Bezirk verpflichtet, entsprechend zu handeln. Und man darf darauf vertrauen, dass das Bezirksamt auf die Einhaltung der Vereinbarung achte.

Darf man das wirklich? Hatte da nicht der – auch in Sachen Grellstraße zuständige – Fachbereichsleiter des Stadtenwicklungsamtes beim Modernisierungsvorhaben in der Immanuelkirchstraße 35 die Bezirksverordnetenversammlung hintergangen und die Mieter auf einer ähnlichen Versammlung wie dieser offen ins Gesicht gelogen? Mit dem Ergebnis, dass jeglicher Mieterschutz, wie er in einem sozialen Erhaltungsgebiet eigentlich vorgeschrieben ist, obsolet wurde? Ohne dafür Konsequenzen fürchten zu müssen?
 

Unstimmigkeit im Vereinbarungstext

Die Fragen gehen weiter.
„Meine Miete beträgt schon jetzt mehr als dreißig Prozent meines Einkommens“, teilt eine Anwohnerin mit. „Werde ich also nach der Modernisierung weniger zahlen müssen?“ Keine Antwort.

Dann meldet sich jemand zu Wort, der das Original der Vereinbarung von Bezirk und Deutsche Wohnen gelesen hat.
„Sofern die Mietwohnung“ zitiert er aus dem Vereinbarungstext „nicht nur lediglich in einen Zustand versetzt wird, der allgemein üblich ist und den veröffentlichten Prüfkriterien in den Erhaltungsgebieten entspricht, darf die Bruttowarmmiete bei finanziellen Härtefällen nach einer Modernisierung 30 Prozent des Nettohaushaltseinkommens der Mieter nicht übersteigen.“

Ratlosigkeit auf dem Podium

Dies, so der Mieter, irritiere ihn. Denn das bedeutet ja, dass die 30-Prozent-Härtefallregelung erst dann greife, wenn mehr als das Notwendige gemacht wird. Eine Luxusmodernisierung habe die Deutsche Wohnen aber ausgeschlossen, so dass – nimmt man den Vereinbarungstext beim Wort – kaum einer der Mieter unter diese Regelung falle.

Kurze Ratlosigkeit auf dem Podium.

Dann wiederholt die „Deutsche Wohnen“-Sprecherin erneut ihren Dreißig-Prozent-Satz. Es wird unruhig im Saal und der Mieter legt nach: „Dann kann ja hinterher irgend einer kommen uns die Vereinbarung zeigen und sagen, eine Härtefallregelung gibt es für Sie nicht, denn Sie haben ja nur den normalen Standard.“

Manuela Damianakis

Er schlägt vor regt, dies auch so in den Vereinbarungstext einzufügen. Doch war er bei Manuela Damianakis an die Falsche geraten: „Wir haben das jetzt verhandelt, wir würden gerne zu dem Text stehen, wie er ist.“
Als Bezirksstadtrat Kuhn schließlich vorsichtig anregt, eine Klarstellung als Protokollnotiz in die Vereinbarung aufzunehmen, reagiert sie nicht.
Manuela Damianakis ist seit 2010 Leiterin der Unternehmenskommunikation der „Deutsche Wohnen“ und weiß, dass sie nicht hier ist, um nett zu den Mietern zu sein, sondern um die Interessen ihres Konzerns zu vertreten. So, wie im Februar, als sie bei einer Anhörung im Abgeordnetenhaus klarstellte, dass die „Deutschen Wohnen“ den Berliner Mietspiegel, auf dessen Grundlage die jeweilige Miethöhe berechnet wird, nicht anerkennt.

Vor Ihrer Tätigkeit beim zweitgrößten deutschen Immobilienkonzern war Manuela Damianakis Sprecherin in der Senatsverwaltung für Stadtentwicklung. Und pries den Mietspiegel als wichtiges Instrument.
 

Ein Konzern, in dem“viel Herz drinsteckt“

Für die wohlig-freundlichen Worte hatte Manuela Damianakis Kathrin Wolff mitgebracht, die sie als Zuständige für die Mieterberatung der Deutsche Wohnen vorstellte. Korrekt wäre wohl die Vorstellung „Dr. rer. nat. Kathrin Wolff, Mitglied des Vorstands der GSW“ (der DW-Tochtergesellschaft, der der Wohnkomplex gehört) gewesen.

Dr. Kathrin Wolff: Konzern „mit viel Herz“

Kathrin Wolff schwärmte den Mietern vor, dass die „Deutsche Wohnen“ doch ein Unternehmen sei, in dem „viel Herz drinsteckt“ und das bei Modernisierungen die Umlagen „schon immer sozial abgestuft“ abgestuft habe. Außerdem wohne ihre Mutter in der Greifswalder Straße… – der Rest ging im grimmigen Lachen der Versammlung unter.
So groß, dass den Mietern während der gesamten Modernisierungsarbeiten im Haus eine Umsetzwohnung anbieten würde, ist das Herz der „Deutsche Wohnen“ dann aber auch wieder nicht. Vier Wochen – so lange wie die jeweilige Wohnung ausgebaut wird – soll die Verweildauer in einer Ersatzwohnung dauern.
Immerhin: Für jene, die in den obersten Stockwerken wohnen und denen noch zwei Etagen aufs Dach gesetzt werden sollen, will man „nach einer Lösung suchen.“.

Auf keinen Fall, gibt Manuela Damianakis den Mietern noch mit auf den Weg, sollten sie sich mit Beschwerden an Abgeordnete oder Bezirksverordnete wenden oder ihren Unmut auf Facebook äußern, sondern sich an die konzerneigene „Mieterberatung“ wenden.
Eine Koordinierung des Modernisierungsgeschehens durch die Mieterberatung Prenzlauer Berg – wie sonst üblich – lehnt die „Deutsche Wohnen“ ab. Die darf nur begleiten und im Auftrag des Bezirksamtes kontrollieren. „Weil wir ein Privatunternehmen sind“, sagt Manuela Damianakis.

Das Misstrauen gegen die „Deutsche Wohnen“ und ihr Vorhaben wurde an diesem Abend nicht ausgeräumt.

 

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11 Kommentare zu “Mieterversammlung „Deutsche Wohnen“ Grellstraße: Geballtes Misstrauen”

  1. stadtrat vollrat kuhn ist eine große enttäuschung. wünsche mir, daß er einsieht, daß er der aufgabe nicht gewachsen ist und platz für einen fähigeren menschen macht.

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  2. War die jetzige Deutsche Wohnen Sprecherin Manuela Damianakis nicht auch mal Sprecherin von SenStadt?
    Somit mit besten Konections in die Berliner Verwaltung.
    So geht das also.

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  3. von ODK

    Okt 17. 2017

    So steht das im Artikel. Bei Frau Junge-Reyer, jener Senatorin, die die Hauptverantwortliche für die gegenwärtige Wohnungsmisere in der Stadt trägt

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  4. Kann ja nicht schaden solch eine Verbindung mal extra hervor zu heben. Hatte den Artikel nicht gelesen. Dafür andere. türü

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    • Und da steht sowas mitnichten.

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      • von ODK

        Okt 17. 2017

        Zitat: „Manuela Damianakis ist seit 2010 Leiterin der Unternehmenskommunikation der “Deutsche Wohnen” und weiß, dass sie nicht hier ist, um nett zu den Mietern zu sein, sondern um die Interessen ihres Konzerns zu vertreten. So, wie im Februar, als sie bei einer Anhörung im Abgeordnetenhaus klarstellte, dass die “Deutschen Wohnen” den Berliner Mietspiegel, auf dessen Grundlage die jeweilige Miethöhe berechnet wird, nicht anerkennt.

        Vor Ihrer Tätigkeit beim zweitgrößten deutschen Immobilienkonzern war Manuela Damianakis Sprecherin in der Senatsverwaltung für Stadtentwicklung. Und pries den Mietspiegel als wichtiges Instrument.“

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  5. Wahrscheinlich weil die jetzt als DAX Unternehmen ihren Hauptsitz nach Berlin verlegt haben. Wohlgefallen allenthalben bei rbb, BlZ. Warum nur? Aktienbesitzer?

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  6. Danke.

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  7. Im Sinne der Mieter.

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