Verwaltungsgericht Berlin: Spielen ist keine Veranstaltung

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Das Verwaltungsgericht Berlin hat heute (Montag) in einem Eilverfahren (Aktenzeichen (VG 11 L 275.15) die Fortführung der „Temporären Spielstraße“ in der Gudvanger Straße vorerst gestoppt.

Das Gericht gab damit dem Antrag einer Anwohnerin auf Erlass einer einstweiligen Verfügung gegen das seit Mai jeden Dienstag von 10 bis 18 Uhr stattfindende Kinderspielen auf einem Knapp vierzig Meter langen Teilstück der Gudvanger Straße statt.

„Spielen ist keine Veranstaltung“, fasste ein Sprecher des Verwaltungsgerichtes Berlin gegenüber der Prenzlberger Stimme die Begründung des Gerichts für die Stattgabe des Antrages der Anwohnerin zusammen. Die Aussage bezieht sich auf das Konstrukt, dass der Bezirk gewählt hatte, um die Temporäre Spielstraße vor möglichen vor juristischen Angriffen zu sichern.

In der Pressemitteilung des Verwaltungsgerichts Berlin heißt es dazu:

„Die 11. Kammer des Verwaltungsgerichts hat die für sofort vollziehbar erklärte Maßnahme auf den Antrag einer Anwohnerin vorerst außer Kraft gesetzt. Die Maßnahme könne nicht auf die von der Behörde herangezogene Vorschrift des § 29 der Straßenverkehrsordnung gestützt werden. Danach bedürften Veranstaltungen, für die Straßen mehr als verkehrsüblich in Anspruch genommen werden, der Erlaubnis.

Um eine von der Vorschrift erfasste Veranstaltung handele es sich hier aber nicht. Denn das Spielen von Kindern sei – anders als erforderlich – weder auf die Benutzung der Straße zu Verkehrszwecken ausgelegt noch handele es sich um ein ausnahmsweise zulässiges stationäres Geschehen, da dieses ein gemeinsames Ziel der Teilnehmer erfordere. Daran fehle es aber beim freien Spielen von Kindern. Ungeachtet dessen sei das Bezirksamt selbst aber auch nicht Veranstalter im Sinne der Vorschrift. Denn nicht das Jugendamt, sondern eine Initiative von Anwohnern habe das freie Spielen vorbereitet und organisiert, die selbst aber nicht um Genehmigung nachgesucht habe. Im Übrigen sei das überwiegende öffentliche Interesse an der sofortigen Vollziehung des Erlaubnisbescheids nicht ausreichend begründet worden.“

Das Teilstück der Gudvanger Straße war die erste „Temporäre Spielstraße in Berlin, ähnliche Einrichtungen gibt es seit längerem in Bremen und Frankfurt am Main.
 

Bezirksamt überrascht

Der zuständige Pankower Bezirksstadtrat Torsten Kühne zeigte sich nicht nur von der Entscheidung an sich, sondern auch von der Begründung des Gerichts überrascht.
Offenbar, so Kühne, sei das Verwaltungsgericht der Ansicht, dass Kinder grundsätzlich nicht auf der Straße spielen sollen. Das mache die Sache noch etwas schwieriger. Möglicherweise müsse man sich künftig überlegen, Straßenabschnitte, die für solche Spielgelegenheiten geegnet sind, auf Dauer zu „abzuhängen“, also zu sperren. Denn um mehr oder weniger spontan für ein paar Stunden in der Woche ein Straßenstück zum Spielen freizugeben, müssten möglicherweise erst die Gesetze geändert werden.

Ratlos ist Stadtrat Kühne auch, was das mögliche Motiv der Klägerin betrifft: „Weder aus der Antragsschrift, noch aus der Beschwerde, die bei uns zuvor eingegangen war, konnte man erkennen, welche konkreten Befürchtungen der Ablehnung der Spielstraße zugrunde liegen.“

Für den Umstand, dass in Bremen und Frankfurt keine rechtlichen Probleme aufgetaucht sind, hat Bezirksstadtrat Torsten Kühne eine verblüffende Erklärung: „Da hat bestimmt noch keiner geklagt.“
 
Gegen den Beschluss kann Beschwerde beim Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg eingelegt werden. Ob der Bezirk Rechtsmittel einlegt, soll im Laufe dieser Woche entschieden werden.

 

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10 Kommentare zu “Verwaltungsgericht Berlin: Spielen ist keine Veranstaltung”

  1. völlig richtig, dies aufzuheben. Selten sowas Unlogisches gesehen … Spielstrasse an einem riesen Spielplatz … wer dat durchgewunken hat ???

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  2. Die Frau die geklagt hat macht sich viele Feinde in der Straße…

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  3. Immer diese Süd-Pankower

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  4. Sven Rude via Facebook

    Jul 13. 2015

    Straßen sind nicht zum spielen da!!! sondern für Verkehr …. manche Leute sind wohl zu blöd, um das zu verstehen…

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  5. Max Marx via Facebook

    Jul 13. 2015

    Offenbar gab es beim Gericht vorher Bowle.

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  6. Anwohner

    Jul 14. 2015

    Gratulation an das Gericht! Es hat Verwaltungsirrsinn gestoppt! Wer sich einmal mit den Spielstraßenprojekten in Bremen, Frankfurt und Karlsruhe auseinandersetzt, wird schnell erkennen, wie intensiv Anwohner in das Projekt eingebunden wurden. Es geht halt nicht ohne Interessensabwägung. Insbesondere zeigen auch die drei benannten Beispiele, dass man sich dort vielen Problemen bewußt war und über Probebetriebe die Spielstraße initiiert hat. Ebenso ist das Schweizer Modell der Begegnungszone grundsätzlich anders angelegt, als es in Deutschland gelebt und praktiziert wird.

    Das Bezirksamt wäre gut beraten gewesen, einfach mal Intelligenz und Köpfchen zu beweisen. Aber scheinbar mangelt es daran total in dieser Verwaltung und der Fisch stinkt meistens vom Kopf an.

    Naja, und wer jetz hier gleich auf mich einprügelt… nicht einmal 10 Meter entfernt ist ein großer leerer Platz. Kinder nehmt Euch diesen und tobt dort. Ansonsten nutzt den Humannplatz und fragt doch mal Eure zugezogenen Schwaben-Eltern, ob sie nicht ein paar Euro für neue Spielgeräte übrig haben.

    Ansonsten erinnere ich mich gern an meine Kindheit. Da haben wir uns das Gebiet selbst erobert und brauchten keine Spielstraßen. Aber wir hatten auch keine Helikopter- und Übereltern. Vielleicht sollten auch manche Eltern überlegen, ob sie nicht mal entspannen sollten und nicht alles im Leben reguliert werden muß. Laßt Eure Kinder mal selbstbestimmt handeln!

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  7. Anwohner

    Jul 14. 2015

    erinnern möchte ich auch einmal noch daran, dass bis vor einigen Jahre gute Sitte war, dass Schulhöfe nach Schulschluß und am Wochenende für Kinder geöffnet wurden.

    Fragen Sie doch mal Frau Anders-Neufang (Schulleiterin der Wilhelm-von-Humboldt) warum sie sich diesem Konzept verweigert? da wäre genügend Platz. Der Schulhof kann über die Erich-Weinert-Straße betreten werden.

    Fragen Sie doch mal Frau Meissner (Schulleiterin der Carl-Humann-Grundschule), warum sie ihren Schulhof nur noch verschließen läßt?

    Warum gibt es hier keinen Aufschrei von Eltern? Schulen sind öffentliche Gebäude und verfügen über große Grundstücke zum Spielen und Toben, die meistens ab 16:00 und an den Wochenenden prach liegen.

    Öffnet endlich wieder alle Schulhöfe für spielende Kinder im Bezirk!

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