Ex-Güterbahnhof Greifswalder Straße: Neubeginn möglich

 

Der Senat tanzt nicht mehr willig nach der Pfeife von Immobilienspekulanten.

Wie der Tagesspiegel in seinem „Leute“-Newsletter vermeldete, hat Bausenatorin Katrin Lompscher (Linke) die Forderung des Immobilienhändlers Christian Gérôme zurückgewiesen, der Senat möge das Verfahren um die Bebauung des ehemaligen Güterbahnhofs Greifswalder Straße ansich ziehen.

Das sind Töne, wie man sie aus der bis Dezember vergangenen Jahres rund ein Vierteljahrhundert in SPD-Hand befindlichen Stadtenwicklungsverwaltung nicht kannte.

So zog im März 2015 der damalige SPD-Stadtentwicklungssenator Andreas Geisel das Verfahren um die Bebauung eines Teils des Mauerparks an sich, um ein mit Aussicht auf Erfolg in die Wege geleitetes Bürgerbegehren gegen die Bebauung des Parkteil durch den verdienten Baufilzveteranen Klaus Groth zu unterlaufen.
Groth revanchierte sich hernach mit mehreren Parteispenden an die SPD, die – damit sie nicht in die Veröffentlichungspflicht fallen – sorgsam „gestückelt“ wurden.
 

Umstrittene Bebauung

Christian Gérôme ist Eigentümer der ehemaligen Bahn-Immobilie und möchte dort profitabel Wohnungsbau betreiben.
Das Vorhaben stieß seitens der Anwohner auf Widerstand. Es wurde – nicht zu Unrecht – eine Aufwertung der bisher mit preiswerten Mieten gesegneten Plattenbausiedlung „Ernst-Thälmann-Park“ befürchtet.

Hinzu kam, dass mit Christian Gérôme ein Unternehmer im Ring stand, der im Bezirk wegen seiner Entmietungspraxis in dem ihm damals gehörenden Haus Gleimstraße 52 einen schlechten Ruf genießt. Der seinerzeitige Bezirksstadtrat Jens-Holger Kirchner schalt ihn deshalb öffentlich sogar als „unzuverlässig“ – ein überaus seltener Vorgang.
Dennoch trieb Kirchner – mit Unterstützung der damaligen Zählgemeinschaft aus SPD und Bündnisgrünen – die Bebauungspläne Gérômes voran. Und zwar in einem Maße, dass sich irgendwann selbst die sozialdemokratischen Partner „verarscht“ vorkamen.

Bei der Bildung der Zählgemeinschaft von Linkspartei, Grünen und SPD nach den Wahlen von 2016 war die Zukunft des einstigen Güterbahnhofs eines der umstrittensten Themen. Man einigte sich in der Kooperationsvereinbarung schließlich auf einen Formelkompromiss: „Am Ziel der Errichtung von Wohnungen wird festgehalten. Die Herstellung eines Grünzugs von der Prenzlauer Allee bis zum Anton-Saefkow-Park wird in die Planungen integriert. Über Wege und Verfahren wird im weiteren entschieden.“
 

Zurück auf Anfang?

Im Juni fasste die Bezirksverordnetenversammlung (BVV) gemäß eines gemeinsamen Antrags der drei Zählgemeinschaftsfraktionen einen Beschluss zu Bebauung, der die im Eigentum von Christian Gérôme befindlichen Grundstücke aussparte und lediglich die in öffentlicher Hand befindlichen Areale zur Wohnbebauung anempfahl. Darin hieß es:

„Auf Teilen der öffentlichen Flächen werden in einem partizipativen Planungsprozess Wohnungen mit einer Bruttogeschossfläche von maximal 9.750 m² errichtet. Die Bebauung soll blockrandbildend der Greifswalder Straße folgen und sich in der Lilli-Henoch-Straße – ebenfalls blockrandbildend – rücksichtsvoll in die Wohnqualität der Bestandsbebauung einfügen. Die Oberkante dieser Bebauung soll die Höhe der Bestandsbebauung südlich der Lilli-Henoch-Straße nicht überschreiten. Bei der Planung des gesamten Areals ist die Schaffung eines Grünzugs in funktional angemessener Breite bis zur Greifswalder Straße sicherzustellen.“

Auf der Oktober-Tagung der BVV reagierte das Bezirksamt auf den Beschluss mit einer „Vorlage zur Kenntnisnahme“, in der mitgeteilt wurde:

„Unter Berücksichtigung des im o. g. BVV-Beschluss genannten Planungsrahmens muss das städtebauliche Gesamtkonzept mit intensiver Beteiligung aller Akteure im Gebiet, besonders der Anwohnerinnen und Anwohner, überarbeitet werden. Hierbei sind auch die privaten Flächen am Güterbahnhof Greifswalder Straße einzubeziehen. Derzeit wird ein geeignetes Beteiligungsformat abgestimmt.“

Damit wurde – von den Beteiligten offenbar weitgehend unbemerkt – eine Grundforderung der „Anwohnerinitiative Thälmannpark“ Rechnung getragen, die einen Neuanfang im Planungs- und Beteiligungsverfahren am Thämannpark für notwendig hielt.
 

Zweite Chance

Auch wenn man die Aufwertungsbefürchtungen der Anwohner und die Zweifel an der Seriosität des Privateigentümers beiseite lässt, war die Idee der Wohnbebauung auf dem einstigen Güterbahnhof aus stadtentwicklungspolitischer Sicht nicht nachzuvollziehen.

Bereits im Jahr 2011 musste der damals gerade frisch ins Amt des Baustadtrats gekommene Jens-Holger Kirchner konstatieren, dass der Flächenbedarf für soziale Infrastruktur in der Gegend rund um den Thälmannpark „größer als die gesamte Fläche des ehem. Güterbahnhofs Greifswalder Straße“ ist.

Heute, sechs Jahre später, hat sich die Situation auf Grund der regen Bautätigkeit in Prenzlauer Berg und des damit verbundenen Zuzugs noch verschärft.
Da sich im Wohngebiet Thälmannpark mittelfristig ein Generationswechsel bei der Bewohnerstruktur anbahnt, sind weitere Bedarfe an sozialer Infrastruktur wie Sport- und Spielflächen, einem Jugendzentrum, Kitas etc. absehbar.
Das einstige Bahngelände ist die letzte größere, frei vom Bezirk überplanbare Fläche der Umgegend. Daher sollte die Bezirkspolitik die zweite Chance, vorausschauend zu planen und zu handeln, nicht auch noch vergeben.

Um das Areal für die dringend benötigte soziale Infrastruktur zu sichern, müsste noch in dieser Legislaturperiode ein Bebauungsplan erstellt werden, der den langfristigen Interessen der Bürger den Vorrang vor den Profitinteressen des derzeitigen Eigentümers gibt.

Eine dritte Chance wird es nicht geben.

 

Weitere Artikel zum Thema:

 

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3 Kommentare zu “Ex-Güterbahnhof Greifswalder Straße: Neubeginn möglich”

  1. Herr Kampmann, die Tage springe ich Ihnen in der Causa Mindrup (SPD) bei. Versprochen.

    Reply to this comment
    • Jakob Maria Mierscheid

      Nov 02. 2017

      Über einen Kuchen mit eingebackener Feile würde sich Herr Kampmann sicherlich freuen ….

      Reply to this comment
      • von ODK

        Nov 03. 2017

        Weder noch: Der Kuchen wäre mir zu kalorienreich und die Feile unverdaulich.

        Reply to this comment

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