In der Pankower SPD brodelt es schon länger. Nun, nach der Wahlschlappe der Sozialdemokraten bricht sich Frust der Genossen mit voller Macht eine Bahn.
„Das Verfahren zur Auswahl des Pankower SPD-Bundestagskandidaten lastet auch nach der Wahl als schwere Hypothek auf der Partei. Hier zeigt sich beispielhaft die Fehlentwicklung in unserem Kreis der letzten Jahre“, heißt es in einem Ende vergangener Woche öffentlich gemachten Positionspapier einer Gruppe SPD-Genossen des Bezirks siehe Download unten).
Für die Unterzeichner, darunter Pankows Bezirksbürgermeister Matthias Köhne, die Berliner Abgeordnete Clara West sowie mehrere Abteilungs(Ortsgruppen)-Vorsitzende, ist die verheerende Wahlniederlage als auch des Direktkandidaten nur ein Symptom einer verfestigten Fehlentwicklung innerhalb des Pankower SPD-Kreisverbandes.
Es habe sich das Bild einer “Partei von oben” verfestigt, “in der in Hinterzimmern vorbereitete Lösungen möglichst geräusch- und damit diskussionslos durchgesetzt werden.”
Harsche Kritik am Kreisvorstand
Weiter heißt es: „Das Austragen oder auch nur das Vorhandensein von Konflikten wird offenbar als schädlich, anstrengend oder für ein unbedingt zu vermeidendes Zeichen politischer Schwäche gehalten. Begeistern können wir so niemanden und schon gar nicht uns selbst.“
Die Schuld an der Misere sehen die Autoren des Brandbriefs vor allem beim Geschäftsführenden Kreisvorstand (GKV) liegen. So schreiben sie:
„(…) Er führt und steuert nicht, er setzt keine eigenen Initiativen und Themen und greift Ideen ausder Mitgliedschaft viel zu selten auf, er würgt ab (…) Ihm selber mangelt es an Koordinierung und an der Einbeziehung der Gliederungen der Partei, da von den gewählten Verantwortungsträgern keiner Verantwortung übernimmt.“ Gefordert wird ein „inhaltlicher, struktureller und personeller Neuanfang.“
Das Papier wurde Ende vergangener Woche bei einer Partei-Vollversammlung ausgelegt, die die Wahlniederlage der Sozialdemokraten zum Thema hatte. Rund 150 Parteimitglieder waren erschienen – und die Wortmeldungen schienen kein Ende zu nehmen.
Roland Schröder, Bezirksverordneter aus Prenzlauer Berg, konstatierte, dass sich die Partei von der Basis entfernt habe. Es habe keinen überzeugenden Kandidaten und keine überzeugenden Inhalte gegeben.
Viel zu sehr habe man sich darauf zurückgezogen, über die Landesliste in den Bundestag einzuziehen. Schröder: “Das kann man keinem mehr verkaufen, damit erreichen wir die Menschen nicht mehr.”
Carsten Reichert, Vorsitzender der SPD-Abteilung Karow-Buch, bemängelte unter anderem die “inhaltsleeren” Wahlplakate.
Andreas Jensen von der Abteilung Niederschönhausen beklagte, dass es bisher niemand für nötig gehalten habe,
Wolfgang Thierse für seine über zwei Jahrzehnte andauernde Arbeit zu danken.
Der Wahlkampf von dessen Nachfolger sei unprofessionell
geführt worden, oft fehlte es an Plakaten. Vielleicht, so Jensen sarkastisch, sollte man vor künftigen Wahlkämpfen Fachleute fragen, wie man einen Wahlkampf organisiert.
Auch Stefan Heber vom selben Ortsverein wies auf Mängel in der Wahlkampforganisation hin. Darüber hinaus machte er die Genossen mit dem Ergebnis eigenen Recherche bekannt: Danach hatte der SPD-Direktkandidat in keinem einzigen Wahllokal die Nase vorn.
Unmittelbar nach dem 22. September habe es bereits
“Relativierungsversuche” des “verheerenden Wahler-
gebnisses” durch den Kreisvorstand gegeben, bemängelte Matthias Köhne.
Dabei habe es offenbar viele SPD-Wähler gegeben, die mit ihrer Erststimme den Linkspartei-Kandidaten Stefan Liebich gewählt hätten.
Matthias Köhne kritisierte, dass die Kandidatenauswahl viel zu binnenorientiert” und unter “machttaktischen Gesichtspunkten” innerhalb der Partei abgelaufen sei. Die SPD müsse wieder nach außen wirken, um glaubwürdiger zu werden.
Auch Sylvia-Fee Wadehn von der SPD Prenzlauer Berg NordOst sah Probleme mit der Glaubwürdigkeit der Partei: “Wir hatten die Themen, die die Wähler wollten – aber man hat es uns nicht abgenommen.”
BVV-Fraktionsvorsitzende Rona Tietje hatte dagegen einen Mangel an Solidarität mit Klaus Mindrup ausgemacht und beklagte in diesem Zusammenhang eine “Schmutzkampagne im Internet und auf Facebook” gegen den seinerzeitigen Bundestagskandidaten.
Mindrup selbst nahm dies auf und berichtete über einen Artikel des Tageszeitung “Neues Deutschland”, der nach einem von ihm erwirkten Gerichtsbeschluss vom Netz genommen wurde.
In dem Artikel, der sich mit Mindrups Feldzug gegen die “Prenzlberger Stimme” befasste, wurde in einem Nebensatz irrtümlich behauptet, dass er an der insolvent gegangenen Aktiengsellschaft “Hotel Fleesensee AG” beteiligt gewesen
sein soll – tatsächlich führte Mindrup aber die Projekt-
gesellschaft zur Errichtung der Hotelanlage.
Das Kandidatenauswahlverfahren nannte Mindrup „Scheiße“ – ohne allerdings darzustellen, warum er diese „Scheiße“ zum eigenen Nutzen bis zum Ende auskostete.
Die zahlreiche Kritik an seiner Wahlkampfführung konnte er nicht nachvollziehen. Bei Problemen hätte sich doch jeder Genosse sofort an ihn wenden können: „Ihr kennt doch alle meine Telefonnummer.“
Den Grund für die fehlende Glaubwürdigkeit der SPD sah er in der mangelnder Aktivität der Akteure. Mindrup: „Glaub-
würdigkeit erreicht man nicht durch reden, sondern durch handeln.“
Auch SPD-Kreisvorsitzende Alexander Götz sprach von persönlichen Angriffe gegen Mindrup während des Wahlkampfes, die die Privatsphäre des Kandidaten verletzt hätten. Betreffs der Kommunikationsprobleme schloss er sich Mindrup an: Telefonieren hätte geholfen.
Das Positionspapier hielt Götz in seiner Aussage für zu einseitig: Dort werde die Verantwortung für die entstandene Situation weitgehend dem Geschäftsführenden Vorstand der Pankower SPD zugeschrieben
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