Spielplatz auf dem Friedhof: Baubeginn für Leisepark

Die Grabsteine jener Gräber des Friedhofs St. Marien-St. Nikolai, die – längst „abgelaufen“ – nun verschwinden sollen, sind beiseite geräumt. Platz für die Handwerker und Gartenbauer, um etwas wohl Einmaliges in dieser Stadt zu schaffen: Einen Spielplatz, nein, Spielpark auf einem Friedhof.
Geht sowas überhaupt?
Aber ja.
Denn eigentlich sollten auf jenem an der Heinrich-Roller-Straße gelegenen Teil des Gottesackers sogar Häuser gebaut werden.

Begonnen hatte alles im Jahr 2006 – da hatte das Abgeord-
netenhaus einen “Friedhofsentwicklungsplan” beschlossen. Und weil auch dieser Begriff aus der Politik kommt, bedeutete er selbstverständlich das Gegenteil von dem, was das Wort eigentlich aussagt: Denn es war kein Plan, die Friedhöfe der Stadt zu „entwickeln“, vielmehr sollte ein nicht unbeträchtlicher Teil von ihnen abgewickelt werden.
Denn es gab immer weniger Sterbefälle in der Stadt.
Das liegt zum einen darin begründet, dass hier und heute – im Vergleich zu früheren Zeiten – kaum noch jemand jung stirbt. Und zum anderen daran, dass sehr viele Angehörigen jener Generation, die heute das Alter erreicht hat, das der durch-

schnittlichen Lebenserwartung entspricht, schon im Zweiten Weltkrieg ihr Leben verloren.
Elf Friedhöfe – so der „Entwicklungs“-Plan – sollten ganz geschlossen werden, bei 75 weiteren sollte zumindest ein Teil der Flächen umgewidmet werden. Wie es hieß, in Grün-
flächen. Aber jenes Friedhofsteilstück war in dem Planwerk mitnichten Grünem vorbehalten – sondern zur „sonstige Nutzung“ freigegeben. Und das offensichtlich auf insistieren der Kirchgemeinde St. Petri-St.Marien und ihres Pfarrers Johannes Krug. Der sah im Verkauf des Friedhofsstreifens eine Möglichkeit, den klammen Kassen seiner Kirche etwas Gutes zu tun.

''Workshop'' zur Gestaltung des Leise-Parkes in der Aula der Heinrich-Roller Schule

Denn „sonstige Nutzung“ konnte nur „Bauland“ heißen – und tatsächlich war Pfarrer Krug schon dabei, mit einem Pro-
jektentwickler zu verhandeln. Anwohner, die davon erfuhren und um das Grün in Ihrer Nachbarschaft fürchteten, grün-
deten eine Bürgerinitiative, alarmierten die Medien, liefen bei den (Lokal-)Politikern Sturm, protestierten… . Und stellten eine Website ins Netz, auf der man auch noch Jahre später den Ablauf des Geschehens nachvollziehen kann.
Da auch Bezirksamt und BVV das Grün erhalten wollten und man von dort ankündigte, einen Bebauungplan aufzustellen, der das umstrittene Gelände als Grünanlage ausweist, zog die Kirche ihr Vorhaben zurück. Damit stand es Remis.

Parkplanung im Eiltempo

Als absehbar war, dass es dabei bleibt, und keine Bauland-
preise mit dem Stück Friedhof mehr zu erzielen waren,konnten Unterhändler des Senates ab Ende 2009 die über einen Ankauf verhandeln. Ein Dreivierteljahr später war es dann soweit – und nun ging alles ganz schnell: Mit Datum vom 29. September teilte Sanierungsträger S.T.E.R.N. den „Friedhofsaktivisten“ mit, dass schon eine Woche später in der Aula der Heinrich-Roller-Schule eine Versammlung zur Bürgerbeteiligung an der Parkgestaltung und nur Tage später eine „Ideenwerkstatt“ stattfinden würde.

Ideen kamen dabei nicht nur von den Erwachsenen. Schüler der Grundschule beschäftigten sich ebenfalls mit der Gestaltung – schließlich sollte es ja ein Spielpark werden.

Ideen für den Leisepark

Ziemlich schnell waren sich die Kinder einig, dass an dem Ort, der einmal ein Friedhof war, auf ganz Laustarkes zu verzichten sei – der Name „Leisepark“ war ihre Idee. Auch welche Spielgeräte passend wären für diesen ungewöhn-
lichen Park, wurde beraten. So wird es einen Hochstand geben, wie ihn die Jäger im Wald haben. Dann werden igluförmige Metallkonstruktionen im Park vorhanden sein, mit deren Hilfe man sich eine Laubhütte oder „Höhle“ bauen kann. Alte Grabsteine sollen als Kletterstapel hergerichtet, Holzpodeste aufgestellt werden – und natürlich bleiben auch einige alte Gräber erhalten…
Einige? „Es wurden immer mehr!“, erzählt Leane Benjamin vom Pankower Amt für Umwelt und Natur. Bei Friedhofs-

Bleiben erhalten: Rätselhafte Kindergräber

exkursionen der Schüler kamen zum Schluss über fünfzig Grabmale auf die „Erhalten“-Liste. Ihren Platz behält auch eine Gruppe von Kindergräbern direkt an der Friedhofsmauer. Die stammen zum Teil noch aus den beginnenden fünfziger Jahren des vergangenen Jahrhunderts. „Dieser Teil des Friedhofs,“ erklärt Leane Benjamin, „ist schon seit dreißig Jahren für Bestattungen geschlossen und die Gräber hier sind samt und sonders ‚abgelaufen‘, doch diese Kindergräber werden bis zum heutigen Tag gepflegt.“ Regelmäßig kämen doch schon sehr alte Damen, um die Grabstätten neu zu schmücken. „Wir wissen nicht, wer die Frauen sind und in welchem Verhältnis

sie zu den verstorbenen Kindern stehen, aber wir haben beschlossen hier nichts zu verändern.“
Die jetzt in Angriff genommenen 6.500 Quadratmeter sind der erste Teil des bei Abschluss einmal 15.000 Quadratmeter großen Parks. Zwei Dinge, so Leane Benjamin, stünden jetzt schon fest – erstens: Der Umbau des ersten Teilstücks, der mit 350.000 Euro dem Programm „Zukunftsinitiative Stadtteil“ finanziert wird, sei auf jeden Fall bis zum Ende dieses Jahres abgeschlossen, denn: „Am 1. Januar verfallen die Gelder“. Und zweitens: Der Unterhalt des Leiseparks wird wohl gegen Null tendieren. Denn da der in den Jahrzehnten entstandene Wildwuchs erhalten bleibt, gäbe es auch keine Notwendigkeit zur gärtnerischen Pflege.

Der Plan

Die Parkmauer mit von den Kindern geforderten Tiermotiven. Sie wird noch einmal 50.000 Euro kosten, die aus Ordnungsmitteln des Bezirksamtes bestritten werden

 

 

 

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