Gericht bremst Spätverkaufsstellen aus

Sie gehören zum Stadtbild von Prenzlauer Berg, wie Cafés, Kneipen und Restaurants: Die „Spätis“.
Hier kann man sich in der Regel von Montag bis Sonntag rund um die Uhr mit allem versorgen, was man zum täglichen Leben so braucht: Lebensmittel, Getränke, Zigaretten, Zeitungen, Waschpulver… .
Ursprünglich waren Spätverkaufstellen eine Einrichtung aus der DDR. In Ost-Berlin schlossen die Lebensmittelgeschäfte meist um 19 Uhr, wer danach noch etwas benötigte, für den hatte der staatliche Handel in fast jedem Stadtbezirk einen Geschäft für „Waren des täglichen Bedarfs“ mit erweiterter Öffnungszeit eingerichtet.

In der Wendezeit von 1989/90 übernahmen private Händler das Modell.
Als mit der Vereinigung der beiden deutschen Staaten nun bundesdeutsches Ladenschlussrecht galt, gewährten die Behörden den „Spätis“ erst einmal Bestandsschutz in Form von jährlich zu erneuernden Sondergenehmigungen.

Nach dem Inkrafttreten des Ladenschlussgesetzes von 1996, das allgemeine Öffnungszeiten bis 20 Uhr erlaubte, bekamen die kleinen Geschäfte keinen Ausnahmestatus mehr zugestanden. Viele machten zu, andere versuchten, sich als Imbiss mit angeschlossenem Verkauf über Wasser zu halten.
Doch als 2006 der gesetzliche Ladenschluss an den Werktagen aufgehoben wurde, kamen auch die Spätis wieder. Da nun aber auch die großen Supermärkte ihre Öffnungszeiten ausdehnten, machten sie ihren Umsatz vor allem Nachts – und an den Wochenenden.

Enge Grenzen

Allerdings zieht das Berliner Ladenöffnungsgesetz für Sonn- und Feiertage enge Grenzen. Lediglich Verkaufsstellen, die für Touristen ausschließlich Andenken, Stadtpläne, Tabakwaren, Fotomaterialien, sowie Lebens- und Genussmittel zum sofortigen Verzehr anbieten, dürfen ihr Geschäft sonn- und feiertags von 13.00 bis 20.00 Uhr geöffnet halten. Der Verkauf von Blumen und Pflanzen, Zeitungen und Zeitschriften, Back- und Konditorwaren, Milch und Milcherzeugnisse ist an diesen Tagen von 7.00 bis 16.00 Uhr erlaubt. Mehr nicht.

Gehalten hatte sich daran in Prenzlauer Berg (und anderswo in Berlin) kaum jemand. Wenn die die Gewerbeaufsicht des Ordnungsamtes mal vorbeischaute und ein Vollsortiment monierte, behalf man sich mit dem Abdecken des restlichen Angebotes. Ob das dann an den nächsten Sonntagen beibehalten wurde, konnte das schwer unterbesetzte Ordnungsamt schon aus personellen Gründen nicht ständig kontrollieren.
Etwas genauer sahen die Behörden erst hin, als ein arbeits-
loser Bauarbeiter sich seine offensichtliche Langeweile zwischen den Stütze-Zahlungen verkürzte, indem er genau Buch darüber führte, welcher Laden wann gegen das Ladenöffnungsgesetz verstoßen hätte. Nicht weniger als 47 Anzeigen verschickte jener sympathische Zeitgenosse an das Pankower Ordnungsamt.

Als die Sache bekannt wurde, sah sich Beezirksstadtrat Torsten Kühne im Zugzwang und begleitete öffentlichkeits-
wirksam eine Großkontrolle des Ordnungsamtes. Bei einem Drittel der kontrollierten Geschäfte wurden Verstöße festgestellt und Torsten Kühne konstatierte: „Einige Läden führen das volle Sortiment eines kleinen Supermarktes.“

Schuss ins eigene Knie

Genau dieser Umstand hat nun das Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg dazu bewogen, die Sonntagsöffnung der klassischen Spätis grundsätzlich in Frage zu stellen.
In einem Beschluss stellte das Gericht fest:
„Der Antragsteller kann sein Gewerbe daher nur insgesamt so ausrichten, dass seine Verkaufsstelle unter die Tatbestände der Sonn- und Feiertagsöffnung fällt. Geht hingegen das Warensortiment über die genannten Warengruppen hinaus bzw. der Zweck der Verkaufsstelle dahin, die Umgebung allgemein mit den angebotenen Waren zu versorgen, greift das Verbot der Sonn- und Feiertagsöffnung nach § 3 Abs. 2 Nr.1 BerlLadÖffG uneingeschränkt ein.“

Was bedeutet: Wer die gesamte Woche über ein Vollsortiment führt, hat Sonntags grundsätzlich zu schließen.
Der Beschluss war das Ergebnis der Klage eines Geschäfts-
inhabers, der sich gegen die genererelle Schließungs-
anordnung für den 1. Mai für Läden rund um den Mauerpark gewandt hatte.
Doch statt einer Aufhebung der Anordnung präsentierte das Gericht eine Auslegung des Ladenöffnungsgesetzes, die bedeutend strenger ist, als die bisher praktizierte.

So etwas nennt man wohl einen Schuss ins eigene Knie.

 

 

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