Das Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg hat ein Normenkontrollverfahren zur Erhaltungsverordnung für das „Wohnanlage Belforter Straße“ eröffnet.
Antragsteller ist die Firma Econcept, die Eigentümer des Areals ist. Sie begehrt, die im vergangenen Jahr erlassene Erhaltungsverordnung für das Karree Kollwitz-/, Belforter/, Straßburger,/Metzer Straße für unwirksam zu erklären und die Kosten des Verfahrens dem Bezirksamt Pankow aufzugeben.
Normenkontrollverfahren vor Oberverwaltungsgerichten dienen der Überprüfung von Rechtsnormen, die im Rang unter formellen Gesetzen liegen (Rechtsverordnungen, Satzungen).
Hintergrund ist ein seit 2010 schwelender Streit zwischen Econcept und dem Bezirk um die Nachverdichtung des Areals. Firmeninhaber Rainer Bahr, der bereits das in unmittelbarer Nachbarschaft befindliche “Palais Kolle Belle” errichten ließ, plant, die Wohnanlage aus den beginnenden 1960er Jahren mit einer Blockrandbebauung zu umschließen und dafür mehrere Wohnungen abzureißen. Darüber hinaus sollen nach dem Willen des Eigners hochwertige Dachgeschosswohnungen entstehen sowie eine Tiefgarage in die mit jahrzehntealten Bäumen bestandenen Höfen gegraben werden.
Dagegen regte sich bei einer großen Anzahl von Mietern Widerstand. Viele von ihnen wohnen bereits seit der Errichtung der Häuser durch eine Arbeiterwohnungsbau-
genossenschaft vor über einem halben Jahrhundert dort.
Auch dem Bezirk lief die Planung des Bauinvestors zuwider.
Zum einen, weil die zunehmende bauliche Verdichtung im Gebiet um den Kollwitzplatz zunehmend kostenträchtige Infrastrukturprobleme (Schulen, Kitas) mit sich bringt, zum anderen, weil man jenes Ensemble als Zeugnis des DDR-Wohnungsbaus der ausgehenden fünfziger, und beginnenden sechziger Jahre des vorigen Jahrhunderts für erhaltenswert hält. Letzteres war die Begründung der nun von Eigentümer beklagten Erhaltungsverordnung.
Kurz vor der Eröffnung des Normenkontrollverfahrens wandte sich Rainer Bahr zum wiederholten Mal mit einem Brief an die Pankower Bezirksverordneten (siehe Download unten). Darin droht er mit einer 12 Millionen Euro schweren Schadens-
ersatzklage, die dazu führen würde, dass dem Bezirk “weitere Einschnitte bei den Ausgaben für Soziales und Kultur abverlangt” werden.
Mal davon abgesehen, dass eine Schadensersatzklage – die Bahr den Bezirksverordneten in einem 35seitigen “Entwurf” gleich mitlieferte – frühestens dann einen Sinn ergeben würde, wenn die Normenkontrollklage vom Investor mit Erfolg durchgefochten worden wäre, werden in dem Schreiben Eindrücke erweckt, die ganz offenbar mehr Rainer Bahrs Wünsche, denn der Realität entsprechen. So wird ein Teilerfolg bei einem Antrag auf vorläufigen Rechtsschutz beim Verwaltungsgericht in einer Fristensache schon mal pauschal als Beleg für die “Rechtswidrigkeit des Vorgehens des Bezirks” hochgejubelt. Regelrecht skurril erscheinen angesichts der zahlreichen, ob der bahrschen Pläne verängstigten Altmieter die, wenn Bahr in dem Brief den Anschein erweckt, die Bewohner seiner Häuser könnten die von ihm ins Auge gefassten Umbauten kaum noch erwarten.
Auch der von Rainer Bahr erweckte Anschein eines Dissens zwischen Land und Bezirk trügt: Die zuständige Senatsverwaltung für Stadtentwicklung trägt die Erhaltungsverordnung für die Wohnanlage Belforter Straße in vollem Unfang mit.
[download id=“224″]
Weitere Artikel zum Thema:
„Geheimausschuss“ für Aufklärung und Transparenz
Belforter Karree: Abreißen für den Maximalgewinn
Belforter Karree: Bäume gefällt – Baubeginn ungewiss
Belforter Karree: Jetzt regiert die Kettensäge…
Belforter Karree: Nachbarn klagen gegen Bebauungsvertrag
Bezirksverordneter von Abstimmung ausgeschlossen
Der Preis ist zu hoch
Karree Belforter Straße in der BVV: Bloß keine Debatte!
Belforter Karree: Bezirk nimmt Erhaltungsverordnung zurück
Belforter Karree: Erhaltungsverordnung sicher
Belforter Karree: Schlacht der Gutachter
Gutachten zum Karree Belforter Straße veröffentlicht“ in Prenzlauer Berg
Bauensemble „einmalig“ in Prenzlauer Berg
Der Brief
Veränderungssperre für KolleBelle-Hinterland
Der Auftritt
Wolfgang Thierse fordert Schutz der Mieter am Wasserturm.
Allgemeine Verunsicherung
Platz für Paläste