Bötzowviertel: Gegen Aufhebung des Sanierungsstatuts

Zu Beginn der Anwohnerversammlung erinnerte Klaus Lemmnitz, Sprecher der Betroffenenvertretung des Sanierungsgebietes Bötzowstraße, an die „wilden“ Nachwendezeiten, als die Anwohner für die Sanierung ihres damals heruntergekommenen Viertel stritten: „Ich habe da mal in alten Aufzeichnungen gekramt. November 1991: ‚Straßenblocke Hufeland-/Ecke Bötzowstraße‘. Da kann man mal sehen, wie sich die Zeiten gändert haben.“ Und: „Dies hier ist keine Protestversammlung, sondern eine ganz konstruktive Veranstaltung.“ Nun ja, wenn am Dienstagabend auch keine Kreuzungen mehr blockiert wurden – kritisiert und protestiert wurde dennoch.

Joachim Poweleit: Eigene Umfrage

Die Kleine Aula des Kurt-Schwitters-Gymnasiums war gut gefüllt. Gut einhundert Anwohnerinnen und Anwohner waren gekommen, um zu erfahren, wie es im Viertel nach der vorgesehenen Aufhebung der Sanierungssatzung weitergehen soll. Regina Jäkel vom Sozialforschungsinstitut ASUM stellte die im Auftrag des Bezirksamtes erarbeitete Sozialstudie für das Sanierungsgebiet Bötzowstraße vor, verwies dabei auf die exorbitant gestiegenen Mieten und legte dar, dass die eine Ende der Preisspirale noch lange nicht in Sicht sei. Joachim Poweleit von der Betroffenenvertretung stellte eine eigene Erhebung vor, in der die Unzufriedenheit der „Stammbewoh-
ner“, also jener 18 Prozent, die im Laufe der Sanierungszeit noch im Viertel verblieben waren, dokumentiert wurde (siehe Download unten).

Anwohnerin Ruth Buschmann: Miete mit der Rente nicht finanzierbar

Dann die erste Frage aus dem Publikum: „Jetzt haben wir die eine oder andere Studie zur Kenntnis genommen – aber was sind die Konsequenzen daraus?“
Anwohnerin Ruth Buschmann machte deutlich: „In zwei Jahren erhalte ich die sogenannte Altersrente. Und auch zusammen mit der Rente meines Mannes ist unsere Wohnung dann nicht mehr zu bezahlen.“
Jan Raue von der Dietrich-Bonhoeffer-Straße machte auf die marode Substanz der Schulen und den Mangel an Platz für die Kinder dort aufmerksam. So finde an der Homer-Grundschule die Hortbetreuung zum Teil in den Klassenräumen statt. Es wurde das Fehlen von Turnhallen angesprochen, andere beklagten den gesamten Verlauf der Quartierssanierung.

Viel Kritik am Verlauf und an den Ergebnissen der Sanierung

Nicht selten seien auch sinnvolle Vorhaben gescheitert, weil der Bezirk seinen Teil nicht beisteuern konnte oder wollte. So wurde ein Kindergartenprojekt nicht ausgeführt, weil das Bezirksamt die dafür entstehenden Mietkosten nicht tragen konnte; der eigentlich für öffentliche Bauten vorgesehene Schweizer Garten sei Privatinvestoren überlassen worden, die nun ein Luxusquartier darauf errichtet hätten.
Baustadtrat Michail Nelken zeigte durchaus Verständnis für die Kritik der Anwohner, machte aber auch die engen Grenzen des bezirklichen Handelns klart: „Infrastruktur zu erstellen, ist das eine. Der Bezirk muss diese Infrastruktur dann aber auch betreiben und erhalten können. Und die Mittel dafür sind nicht vorhanden.“

Stadtrat Michail Nelken: Handlungsmöglichkeiten begrenzt

Einige Projekte des Sanierungsstatuts würden jedoch auch nach Aufhebung der Satzung noch begonnen oder zu Ende geführt werden – so der Bau einer Sporthalle und verschiedene Straßenbaumaßnahmen.

Auch was die Mietenexplosion im Kiez angeht, machte der Stadtrat wenig Hoffnung auf Besserung.
Das Instrument der Mietobergrenzen bei vom Land geförderten Sanierungsmaßnahmen hätten Gerichte für unzulässig erklärt und seien daher unwirksam.
Einzig Milieuschutz könnte in speziellen Situationen Linderung verschaffen – ein Allheilmittel sei aber auch dies nicht.

Anwohner: Petition an das Abgeordnetenhaus beschlossen

Stadtrat Nelken wies darüber hinaus auf den Zusammenhang zwischen der öffentlichen Förderung, die ein Sanierungsgebiet genießt und den steigenden Mieten hin: Die vielfältige direkte und – durch vielerlei Steuersparmodelle – auch indirekte finanzielle Förderung des Sanierungsgebietes hätten die „Aufwertung“ des Gebietes erst möglich gemacht, die sich nun in den Mietpreisen niederschlage.
Die Fortführung des Sanierungsstatuts hielt der Baustadtrat auch bezüglich von noch zu tätigenden Investitionen für überflüssig: „Dadurch würden auch nicht mehr Mittel fließen.“
Die Anwohner waren aber dennoch der Meinung, dass eine Aufhebung des Sanierungsstatuts verfrüht sei.

Weiterführung des Sanierungsgebietes - Ja oder nein? Betroffenensprecher Klaus Lemmnitz, Stadtrat Michail Nelken

Von Seiten der Betroffenenvertretung wurde darüber hinaus eine „Bürgervereinbarung“ zwischen dem Land Berlin, dem Bezirksamt und den Anwohnern gefordert.
 
Am Schluss der Versammlung stimmten Anwesenden mit großer Mehrheit und nur einer Gegenstimme und drei Enthaltungen einer Erklärung zu, in der der Erhalt des Sanierungsgebietes gefordert wird (siehe Download unten). Die Erklärung soll an den Petitionsausschuss des Berliner Abgeordnetenhauses weitergeleitet werden.

 

 

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