AfD Pankow: Siebte Niederlage in Sicht – Fraktion probt die Flucht nach vorn

 

Die AfD-Fraktion in der Pankower Bezirksverordnetenversammlung (BVV) will ihren bisher sechs Mal durchgefallenen Stadtratskandidaten Nicolas Seifert am heutigen Mittwoch in die siebte – vorhersehbar erfolglose – Abstimmungsrunde schicken.
Die überwiegende Mehrheit der Bezirksverordneten – Seifert hatte regelmäßig nur acht bis zehn Stimmen der insgesamt 55 Bezirksverordneten bekommen – hält den AfD-Mann weder fachlich noch charakterlich geeignet, ein Bezirksamtsressort zu führen. Kandidat Seifert hatte es zum Beginn der Legslaturperiode nicht für nötig gehalten, seinen Urlaub zu unterbrechen, um sich – so wie alle anderen Kandidaten auch – rechtzeitig den Fraktionen der BVV vorzustellen.

Als Seifert dann schließlich zur konstituierenden Sitzung des Bezirksparlaments erschien, erklärte er in seiner Bewerbungsrede, dass er als Stadtrat sowieso nichts gestalten könne, da er ja von den Entscheidungen der BVV abhängig sei; dafür aber „Widerstand von der Antifa und von Mitarbeitern“ erwarte und er durch den Stadtratsjob erhebliche Einkommenseinbußen erleiden werde. Aber: „Einer muss es ja machen.“

Bei der später nachgeholten Tour durch die Fraktionen bedurfte es deutlicher Worte, um dem Kandidaten klar zu machen, dass er nicht an der Hand des AfD-Fraktionsvorsitzenden, sondern allein vor den Bezirksverordneten aufzutreten hat. Auch dort überzeugte er nach einhelliger Darstellung der Zuhörenden durch auffallende Inkompetenz.

Hinzu kam, dass ein Video öffentlich wurde, auf dem zu sehen war, wie Seifert anlässlich einer am 11.11. 2015 stattgefundenen AfD-Demonstration einen als Clown (11.11.!) verkleideten Reporter der ZDF-Satiresendung „Heute Show“ körperlich anging, und noch ein Jahr später darlegte, wer so bei einer AfD-Demo auftrete, müsse sich über eine solche Reaktion nicht wundern.

 

Fünfundvierzig Seiten gegen drohenden Vorschlagsrechts-Verlust

Da bereits im November klar wurde, dass Seifert auch zukünftig keine Mehrheit in der Bezirksverordnetenversammlung erhalten wird und somit der Stadtratsposten auf Dauer vakant bleiben könnte, wandte sich BVV-Vorsteher Michael van der Meer an die Bezirksaufsicht der Senatsinnenverwaltung mit der Bitte um eine rechtliche Bewertung der Sache.

Die Bezirksaufsicht kam zu dem Schluss, dass es für eine Aberkennung des Vorschlagsrechtes der AfD-Fraktion angesichts des erst wenige Wochen im Amt befindlichen Bezirksamtes noch zu früh sei, ließ aber durchblicken, dass auf längere Sicht entsprechende rechtliche Konsequenzen gezogen werden können.

Angesichts der damit näherrückenden möglichen Aberkennung des Vorschlagsrechtes für einen Stadtratsposten, tritt die AfD die Flucht nach vorn an: Sie droht, ihren Kandidaten bei einer weiteren Ablehnung durch die BVV ins Amt einzuklagen.

Um dies zu unterfüttern, hat Nicolas Seifert nun ein umfangreiches insgesamt 45 Seiten starkes Pamphlet verfasst, das der Prenzlberger Stimme vorliegt.

Neben drei freundlichen Beurteilungen ehemaliger Arbeitgeber, die alle mit den besten Wünschen für seinen weiteren beruflichen Lebensweg enden, hat Seifert dem Konvolut einige – zum Teil schon recht angejahrte – Zertifikate zum Beleg seiner fachlichen Qualifikation im IT-Bereich beigefügt.

 

„Massentaugliche U-Bahn“ und 150 Gläser Marmelade

Für die Bewerbung relevanter sind allerdings jene Passagen, in denen er sich als der geeignete Mann für den Posten eines Bezirksstadtrats darstellt.
Auch ohne Zertifizierung konnte er da zumindest seine Fähigkeit im Bereich des Copy&Paste, also des Kopierens von Texten aus dem Internet, eindrucksvoll unter Beweis stellen.

In einem offiziell an den AfD Vorsitzenden Stephan Wirtensohn gerichteten Schreiben, das nach Informationen der Prenzlberger Stimme auch den anderen Fraktionen zugeleitet wurde, sind seitenlang aus den Webseiten des Bezirksamtes übernommene Darstellungen über die Arbeit der Bezirksverwaltung sowie Gesetzestexte einkopiert worden.

Da, wo nicht direkt abgekupfert wurde, geht Seifert selten über Allgemeinplätze hinaus und wirkt zuweilen unfreiwillig komisch. Das geht dann zum Beispiel so:

„Eine bessere urbane Mobilität soll durch den Ausbau von Radwegen, den Ausbau von Car-Sharing-Angeboten, mehr Elektro-Zapfsäulen, häufigere Bus- und Bahnverbindungen und schließlich fahrradfreundlichere Straßen erreicht werden – dazu gehört auch der massentaugliche Ausbau der U-Bahnlinie nach Weißensee.“

Eine massentaugliche U-Bahn also. Die Idee sollte man sich merken…

Mal davon abgesehen, dass kein Berliner Bezirksamt jemals einen U-Bahn-Ausbau in die Wege leiten wird – schon deshalb nicht, weil es schlicht nicht dafür zuständig ist – kann nur etwas „ausgebaut“ kann, was bereits vorhanden ist. Offenbar hatte Nicolas Seifert übersehen, dass es bisher noch gar keine U-Bahn nach Weißensee gibt. Nicht mal eine massenuntaugliche…

Warum er für die Leitung des Umweltamtes besonders geeignet ist, begründet Nicolas Seifert unter anderem so:

In Kindheit und Jugend war ich begeisterter Hobbygärtner und ‚Tierpfleger‘ für die Patienten der Tierärztin neben dem elterlichen Haus. Unzählige Jungigel wurden von mir im Keller der Eltern durch den Winter gefüttert, im Bau von Nistkästen war ich als »Jungornithologe« außerdem sehr geschickt. Ebenfalls bereits als Kind habe ich den elterlichen Garten in Ziergarten und Nutzgarten aufgeteilt, ersteren landschaftlich gestaltet – mit Hügeln, Gehölzen und Steinen -, in letzterem Kräuter, Gemüse und Obst gezogen: 150 Gläser Marmelade waren durchaus eine durchschnittliche jährliche Ausbeute.

 

Offen Rechtswidriges angekündigt

Nett auch die Erkenntnis:

„Die Einführung eines ‚Hygiene-Smiley‘ bei Gaststätten wird für besseren Verbraucherschutz sorgen.“

Im Gegensatz zur Weißenseer U-Bahn hatte ein solcher „Smiley“ schon mal existiert – Pankow und sein damaliger Ordnungsstadtrat Jens-Holger Kirchner machten damit bundesweit Schlagzeilen.
Nicolas Seifert hatte das beim Durchforsten des Internets wohl übersehen – ebenso den Umstand, dass der „Smiley“ von den Gerichten gekippt wurde und bei der gegenwärtigen Rechtslage somit gar keine Möglichkeit mehr besteht, eine derartige öffentliche Hygiene-Bewertung von Gaststätten wieder einzuführen.

„Baumschutzerhaltung ist mir wichtiger als die Einleitung von Fällungsmaßnahmen“,

schreibt Nicolas Seifert und impliziert damit entweder wahrheitswidrig, dass Bäume bisher bedenkenlos weggesägt wurden oder aber er will auch nicht mehr standfeste Bäume an ihrem Platz belassen, auf dass der nächste Sturm…

Mindestens Ahnungslosigkeit ist auch in seinem Ansinnen zu erkennen, mit einem „Pilotprojekt“ die „Wirksamkeit einer kombinierten Bestreifung durch Polizei und Ordnungsamt (zu) erproben.“ Denn daran ist nun gar nix „Pilot“ – das gab es schon und gibt’s auch immer wieder mal, wenn denn einen Anlass dafür besteht und auf beiden Seiten ausreichend Personal dafür vorhanden ist.

Besonders bedenklich sind jene Vorhaben, mit denen er sich über Recht und Gesetz hinwegsetzen möchte.
Etwa, wenn er – noch ein „Pilotprojekt“ – die „Durchführung von Bestreifung von nichtuniformierten AOD-(Ordnungsamt im Außendienst)Mitarbeitern“ ankündigt und er als Beispiel die in Zivil auftretenden BVG-Kontrolleure heranzieht.
Vielleicht nimmt ihn ja mal irgend jemand kurz beiseite und versucht ihm den Unterschied zwischen den Kontrolleuren eines Verkehrsunternehmens und den mit hoheitlichen Aufgaben betrauten Mitarbeitern eines Ordnungsamtes zu erklären – und dass bei der Erfüllung der hoheitlichen Aufgaben aus guten Gründen das Tragen der Uniform verbindlich vorgeschrieben ist.

Einen weiteren Rechtsbruch will Seifert in Sachen ruhender Verkehr begehen: „Ausdehnung der Parkraumbewirtschaftung zur Einnahmenerzielung“.
Er tut das, obwohl ihm bekannt sein dürfte, dass eine Bewirtschaftung von Parkraum keinesfalls aus finanziellen, sondern ausschließlich aus Verkehrslenkungsgründen eingeführt werden darf.
Der Schaden, der dem Bezirk durch die zu erwartenden Klagen gegen eine solch rechtsferne Ausdehnung der Parkzonen entsteht, würde erheblich sein.
 

Das Motiv der Bewerbung: Das Ansehen der Partei zu heben

Das von Seifert nach einem Vierteljahr als erfolgloser Stadtratskandidat zusammengestoppelte Pamphlet dürfte ungewollt seine fehlende Eignung bestätigen. Dazu zählt auch seine mangelnde Einsichtsfähigkeit.
Exemplarisch dafür erscheint die in dem Schreiben dargelegte Rechtfertigung seines körperlichen Angriffs auf den „Heute Show“-Reporter:

„Daraus sogar noch in unzulässiger Weise Zweifel an meiner ‚charakterlichen Eignung‘ für das Amt eines Stadtrates abzuleiten ist jedoch eine grobe Maßstabsverzerrung bei der Beurteilung eines AfD-Kandidaten und wird als Wahl-Hinderungsgrund nicht taugen – nicht in einem Land Eierwerfer attackierender Bundeskanzler und Polizisten niederschlagender Außenminister.“

In bemerkenswerter Offenheit legt Seifert auch sein Motiv dar, warum er so beharrlich von Niederlage zu Niederlage stolpert. Der Grund ist nicht Pankow, nicht das Ordnungsamt, dass er angeblich so gerne leiten möchte und auch nicht der Wunsch, hier vor Ort etwas zum Besseren zu wenden. Es ist einzig die unverbrüchliche Treue zu seiner Partei:

„Ich habe den festen Willen, Beleg dafür zu geben, daß meine Partei – die Alternative für Deutschland – über kompetentes Personal verfügt, politische Ämter und Mandate erfolgreich bewältigen kann und möchte dadurch zum Gesamtkompetenzeindruck der Partei in der Öffentlichkeit positiv beitragen. Diese meine politische Motivation ist tatsächlich so stark, daß ich für eine Gelegenheit der politischen Partizipation auch eine Bürgermeisterstelle in Villingen-Schwennigen oder eine Referatsleiterstelle im Saarland angetreten hätte.“

 

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