So ungefähr muss es gewesen sein…
Am Morgen des 24. April warf Philipp Albert Schwörbel, der Geschäftsführer der „Prenzlauer Berg Nachrichten“, einen Blick auf die Artikel der letzten Tage.
Als da waren:
Chemie-Unfall an einer Schule (acht Wochen nach dem Ereignis, über das fast alle berichtet hatten), „Schwaben-Videos“ aus Prenzlauer Berg (vier Wochen, nachdem dieses Thema durch alle Medien ging), S-Bahnhof Prenzlauer Allee soll zweiten Zugang bekommen (fünf Tage, nachdem die Nachricht bei der „Prenzlberger Stimme“ erschien) und nun, ganz „aktuell“, Zille-Graffiti (über die zwei Wochen zuvor sogar schon die „Süddeutsche“ berichtete).
Zufrieden ob der Arbeit seiner Edelfedern lehnte er sich zurück und hauchte verträumt seinen Lieblingssatz in den Raum: „Die Berliner Hauptstadtzeitungen haben sich in den vergangenen Jahren mehr und mehr aus der Bezirksberichterstattung zurückgezogen. Diese Lücke schließen die Prenzlauer Berg Nachrichten mit aktuellem Journalismus.“
Sein Blick schweifte durch den Raum, traf auf die Pinnwand, die übervoll war mit Auschnitten aus Zeitungen und Veranstaltungshinweisen: Philipp auf Kongressen, Philipp auf Podiumsgesprächen, Philipp im Interview… .
Ja, er war schon ein toller Hecht. Ein Mann von Bedeutung. Einer, der das Medienwesen dieses Landes in ein neues Zeitalter führt und aus dessen Blog es ein Artikel sogar schon in den überregionalen Blätterwald geschafft hat: Der seinerzeit die Republik erschütternde Skandal, dass ein Cafébetreiber aus Prenzlauer Berg sein Lokal zur kinderwagenfreien Zone erklärt haben soll. Das Land stand hernach am Rande von Neuwahlen!
Dass ein anderer Scoop weitgehend unerwähnt blieb, hat Philipp bis heute nicht so richtig verwunden: Die Drugs&Crime-Story über eine Prenzlauer Berger Plattenbauschule. Die hatte zwar Aufregung verursacht, aber bloß bei den Eltern, Schülern und Lehrern. Weil sich seine Starautorin Juliane Wiedemeier den Bericht aus den Fingern gesogen hatte. Mein Gott, sie ist eben kreativ! Kreativität ist schließlich das Markenzeichen der „PBN“.
Kreativ wurde ja auch die Sache mit dem Immobilienunternehmer angegangen, der das Haus vermarktet hatte, in dem sich Philipp eine Wohnung gekauft hatte.
Erst wurde ganz objektiv über eine karitative Tat des selbstlosen Unternehmers berichtet, danach gabs – natürlich ganz unabhängig von dem freundlichen Bericht – bezahlte Anzeigen satt.
Dass dann der Unternehmer auch schon mal ganz unparteiisch und ohne kritische Nachfragen über die Segnungen der Immobilienbranche informieren durfte, hatte damit natürlich nichts zu tun. „Die Glaubwürdigkeit ist die Grundlage unserer Zeitung; bei uns kann man sich nicht einkaufen.„
Philipp erhob sich, nahm einen Aktenordner aus dem Regal und blätterte in den darin befindlichen Bilanzen. Seine Augen wurden feucht vor Stolz: Nur Zuwächse!
Schon zu Beginn, im Jahr 2010, standen 10.125,14 Euro zu Buche, am Ende des Jahres 2011 waren es bereits 46.674,47 Euro, 2012 dann 58.769,50 Euro und 2013 82.436,88 Euro.
Und nun, schimmerte da nicht ein stolzer sechsstelliger Betrag durch die von den Rührungstränen beschlagenen Brillengläser?
Was machte es da schon, dass die Zahlen allesamt grell in tiefroter Farbe vom Papier leuchteten. Auch der Zuwachs von Verlusten ist schließlich ein Zuwachs – wer sollte das besser wissen, als er, der er doch erfolgreich ein Studium der Betriebswirtschaftslehre abgeschlossen hatte!
Das Läuten des Telefons riss ihn aus seinen Gedanken. Es war Juliane. Wenn man noch pünktlich in Bonn ankommen wolle, müsse man sich langsam auf den Weg machen. Schließlich hatte jeder der Teilnehmer des Seminars der Journalistenakademie an der Friedrich-Ebert-Stiftung knapp ein Vierteltausend Euro dafür bezahlt, um sich von ihnen ein Wochenende lang auf den Pfad der Erleuchtung führen zu lassen: „Zeitungsgründen leicht gemacht: Der Weg zur erfolgreichen hyperlokalen Online-Zeitung.“
Pleite-Modell als Kassenschlager
Die Journalisten-Akademie der Friedrich-Ebert-Stiftung ist nicht die einzige Institution, bei der das lokaljournalistische Traumpaar Schwörbel/Wiedemeier seinen Verlustbringer gegen Engelt unter die Leute brachte. Mit von der Partie waren auch der Deutsche Journalisten-Verband (DJV) Nordrhein-Westfalen, der Saarländische Journalistenverband oder der DJV Sachsen.
Auffällig ist, dass solche Seminare immer weit weg von Berlin stattfanden. Der Grund ist wohl darin zu suchen, dass die „Dozenten“ davon ausgehen können, dass sich Veranstalter und Seminarteilnehmer in entfernteren Regionen mit den Berliner Gegebenheiten nicht so auskennen und deshalb auch nicht über Ungereimtheiten stolpern, die hier vor Ort jedem sofort auffallen würden.
Dumm nur für die durch Deutschland tingelnden PBN-Gründer, dass die Geneppten deren Darstellungen so ernst nehmen, dass sie sie zuweilen auf ihrer Webseite zitieren und damit en passent aufzeigen, dass die PBN-Protagonisten selbst bei scheinbar unwichtigen Details das Schwindeln nicht lassen können. So ist auf der des DJV Schleswig-Holstein zu lesen:
„Bei den Prenzlauer Berg Nachrichten ist es das Bekenntnis zur hohen journalistischen Qualität und die Beschränkung auf den Kiez: ‚Was im Nachbar-Stadtteil passiert, interessiert uns nicht‘, so Wiedemeier. Das zieht Werbekunden an…“
Woher sollten Lübecker, Saarländer oder Sachsen auch wissen, dass beispielsweise Berichte über Kleingärten in Weißensee, eine einstige Brauerei in der Berliner Straße oder aber über den ehemaligen Rangierbahnhof Pankow mitnichten im „Kiez“, also im Ortsteil Prenzlauer Berg handeln?
Trotzdem lässt die Leichtgläubigkeit der Veranstalter einen einigermaßen staunen.
Dass jemand aus Schleswig-Holstein höchstens eine ungefähre Ahnung davon hat, wo die Grenzen von Prenzlauer Berg verlaufen, ist nachvollziehbar. Wenn man aber erzählt bekommt, auf welche Weise man Werbekunden „anzieht“, auf dem Lokalblog der Erzähler jedoch kaum welche zu finden sind – sollte das nicht mindestens ein paar Fragen aufwerfen? Erst recht dann, wenn die Adressaten der Märchenstunde Journalisten sind, bei denen Nachfragen doch eigentlich zur genetischen Grundausstattung gehört?
Und was, bitteschön, ist von der Qualität einer „Journalistenakademie“ zu halten, die die Inhalte der von ihr angebotenen Seminare offenbar nicht auf Plausibilität überprüft und bei Versprechungen wie „Sie lernen, die grundlegenden Refinanzierungs-Säulen kennen und zu bewerten“ nicht einmal nachgeschaut wird, ob die „Dozenten“, das, was sie versprechen zu vermitteln, selbst beherrschen? Wo doch die Antwort darauf nur zwei, drei Mausklicks entfernt im Bundesanzeiger bereitliegt?
Das wollte die Prenzlberger Stimme von der Leiterin der FES-Journalistenakademie Carla Schulte-Reckert nun doch schon mal etwas genauer wissen.
Nein, gab die Akademie-Chefin zu, man prüfe die Inhalte tatsächlich nicht, sondern nur, ob die Dozenten über einen entsprechenden Berufsabschluss und eine einschlägige Berufserfahrung verfügten. Und, hörbar empört: „Meinen Sie, die Dozenten machen uns hier etwas vor?“
Tja…
Alle weiteren Fragen, so Frau Schulte-Reckert verstimmt, mögen bitte schriftlich eingereicht werden.
Dies wurde noch am 29. April umgehend erledigt.
Nun fehlen nur noch die Antworten.
Woran erinnert einen das Ganze nur…?
Richtig, an den einstigen Baulöwen Dr. Jürgen Schneider. Der hatte das zentral am Münchener Lenbachplatz gelegene „Palais Bernheimer“ unter seine Fittiche genommen und seiner geldgebenden Bank verklickert, das Gebäude habe sieben Etagen. Tatsächlich sind es bis heute nur fünf. Doch da Schneider ja sehr seriös erschien, schaute man sich nicht mal ein Foto des Hauses an – und zahlte ihm das Geld für die Modernisierung von sieben Stockwerken aus…
Weitere Artikel zum Thema:
Antwort auf eine Leserzuschrift, das Blog „Prenzlauer Berg Nachrichten“ betreffend
Thomas Trappe: Vom Lügenbold zum Naziversteher
Oliver Görs via Facebook
Mai 04. 2015
also jetzt muß ich mal danken für diese art der darstellung und den informationen über die PBN, gerade auch weil sie ja gegenwärtig hier im netzt für finanzielle unterstützung werben mit doch einigen selbstdarstellungen.