Prenzlauer Berg, unendliche Zeiten…

 

Prenzlauer Berg, unendliche Weiten. Wir schreiben das Jahr 2019. Dies sind die Abenteuer des Raumschiffs Pankow, das mit seiner Besatzung 5 Jahre unterwegs ist, um fremde Galaxien zu erforschen, neues Leben und neue Zivilisationen… äh… nein… – um eine Fahrradstraße auf den Weg zu bringen.

 

 

Wie alles anfing

Es ist der Dezember des Jahres 2008. Der Abend ist hereingebrochen, die Dunkelheit frisst sich durch die Straßen.
Doch in einem Raum des Bezirksamtsgeländes an der Fröbelstraße strahlt noch helles Neonlicht durch die Fenster in die Nacht. Hier tagt der BVV-Ausschuss für Öffentliche Ordnung, Verkehr und Verbraucherschutz. Gerade hatte er eine Beschlussempfehlung an die Bezirksverordnetenversammlung verabschiedet, in der es heißt:

„Das Bezirksamt wird ersucht, als Pilotprojekt die Ausweisung und den Ausbau einer Fahrradstraßentrasse vom Prenzlauer Berg über die Choriner Straße/Gormannstraße ab Schönhauser Allee Richtung Hackescher Markt mit einer sicheren und schnellen Querung für Radfahrer über die Torstraße, einer Aufhebung der Einbahnstraßenregelung in der Gormannstraße an die Rosenthaler Straße für Radfahrer in Angriff zu nehmen und mit einem Wegeleitsystem auszustatten.“

So beschließt es die BVV dann auch – und schon Anfang März 2009 verkündet das Bezirksamt: „Mit einer Realisierung der Fahrradstraße durch beide Bezirke wird 2009/2010 zu rechnen sein. “

Nun gut, die Fahrradstraße wurde nicht 2009 und nicht 2010 eröffnet, sondern erst 2011 – also gut zwei Jahre nach dem Beschluss der BVV. Immerhin.

 

Zwei Jahre schwebend im bezirkskosmischen Nichts

Prenzlauer Berg, unendliche Weiten. Wir schreiben das Jahr 2014. Ein milder, sonniger Altweibersommertag geht zu Ende, doch im BVV-Saal an der Prenzlauer Allee herrscht noch emsiges Treiben. Die Bezirksverordneten von Pankow beraten über alte und neue Anträge, die Pankow besser, schöner und gerechter machen sollen.

Darunter ist auch einer der Fraktion Bündnis 90/ Die Grünen, in dem das Bezirksamt “ersucht” wird, in Pankow eine ganze Reihe neuer Fahrradstraßen einzurichten. So zum Beispiel auf der Route Gleimstraße /Stargarder Straße. Der Antrag wird zur weiteren Beratung in den BVV-Ausschuss für Öffentliche Ordnung und Verkehr überwiesen.

 
Prenzlauer Berg, unendliche Weiten. Wir schreiben das Jahr 2016. Nur zwei Jahre nach der Überweisung – so lange hatte es vom Antrag bis zur Einrichtung der Fahrradstraße in der Choriner Straße insgesamt gedauert – befasst sich der Ausschuss mit der Angelegenheit.

Dabei stellt sich heraus: Fahrradstraßen sind gewöhnliche Straßen, in denen der Radverkehr Vorrang hat. Offiziell dürfen nur PKW von Anwohnern solche besonderen Fahrradzonen befahren.
Das aber ist der Mehrheit des Verkehrsausschusses schon zuviel – und so überzeugen sie die Antragsteller, doch erst einmal einen “Prüfauftrag” zu formulieren.

Nach einigen Vertagungen wurde nur knapp zwei Jahre später der so geänderte Antrag im September 2016 von der BVV beschlossen.

 

„Weitergehende Ausbaumaßnahmen nicht erforderlich“

 Mit Datum des 15. November 2016 – für Pankower Verhältnisse also mit annähernder Lichtgeschwindigkeit – meldet das Bezirkraumschiff in Person des damaligen Co-Commanders Jens-Holger Kirchner Vollzug. Bezüglich der der Stargarder Straße lautete der Tenor: Kann man machen, der Aufwand ist gering. Wörtlich hieß es dazu in der vom Bezirksamt beim Senat eingeholten Stellungnahme:

“Weitergehende Ausbaumaßnahmen sind nach derzeitigem Stand nicht erforderlich und meinerseits im Rahmen der Realisierung dieser Route nicht vorgesehen; die Anordnung als Fahrradstraße würde die Funktion der Straßen jedoch unterstreichen, die mittelfristig vorgesehene Wegweisung unterstützen und wäre daher grundsätzlich zu begrüßen.“

Kurz darauf steigt Pankow-Co-Commander Kirk-Kirchner zum Vice-Commander der Berlin-Verkehrs-Raumflotte auf und dachte umgehend laut darüber nach, dass man doch die gesamte Milchstraße… pardon! – den gesamten Straßenzug Stargarder/Gleimstraße zur Fahrradstraße umwidmen könnte. Die Nachrichtenmedien der Förderation beleuchten eine Woche lang das Für und Wider und erwecken den Eindruck, dass irgendwas passieren könnte. Dann ist wieder Ruhe.

 

Kurz gestörte Ruhe

Prenzlauer Berg, unendliche Weiten. Wir schreiben das Jahr 2017.
Das Raumschiff gleitet durch die Weiten des Alls. Einzig die zuweilen vernehmembaren Schnarchgeräusche aus der Kabine des für Kirk Kirchner zum Co-Comannder aufgestiegenen Lieutenant Kuhn unterbrechen ab und zu die kosmische Ruhe.

Doch Ruhe kann auch Langeweile verbreiten und diese wiederum verführt quengelige Menschen dazu, die Ruhe zu stören.
Der Chef der SPD-Fraktion im Raumschiff Roland Schröder scheint sich zu langweilen. Also nervt er die Führungscrew mit einer „Kleine Anfrage“, in der er sich ungeduldig nach dem Stand der Dinge erkundigt.
Zwei Mal müssen die Diensthabenden auf der Kommendobrücke um eine Verlängerung der Antwortfrist bitten. Schließlich gelingt es ihnen doch noch, den Lieutenant zu wecken.

„Aus verkehrsbehördlicher Sicht“, schrieibt Lieutenant Kuhn nun, „ist im Vorfeld eine dringende Prüfung und Untersuchung erforderlich, um eine fachlich exakte und nicht verwaltungsrechtlich anzweifelbare Anordnung für eine künftige Fahrradstraße treffen zu können.“
„Die Anordnung der Stargarder Straße als Fahrradstraße“, so Kuhn weiter, „wurde noch nicht beantragt.“ Denn:

„Gemäß der vorliegenden Stellungnahme der Straßenverkehrsbehörde muss die Straße vor ihrer Einrichtung als Fahrradstraße durch Teileinziehung dem Radverkehr angepasst werden. Durch Zusatzzeichen können auch andere Verkehrsarten ausnahmsweise, vor allem für Kfz der Anlieger und eingeschränkt Müllfahrzeuge, zugelassen werden. Vor einer Anordnung müssen die Bedürfnisse des Kraftfahrzeugverkehrs ausreichend berücksichtigt werden (alternative Verkehrsführung).“

Aus dem Bürokratenklingonisch übersetzt heißt das: Wir müssen ein paar Linien ziehen und einige Verkehrsschilder aufhängen. Und schauen, dass die Linien nicht zu schmal für die Müllautos sind.
Dieser Hinweis war wichtig, denn unter der Raumschiffbesatzung machte sich auf Grund der Zeiträume das Gerücht breit, der Lieutenant wolle eine vollständig neue Galaxie ins Universum bauen.

 

Jetzt gehts lohos… – äh… doch nicht

Prenzlauer Berg, unendliche Weiten. Wir schreiben das Jahr 2018.
Im September teilt Lieutenant Kuhn überraschend mit: Alle Interessierten mögen sich im Ballsaal des Raumschiffes Pankow zusammenfinden, denn:

„In Umsetzung des Beschlusses (VII/0819) der Bezirksverordnetenversammlung vom 05.09.2016 läuft seit Anfang September 2018 die Verkehrsuntersuchung zur Einrichtung einer Fahrradstraße in der Stargarder Straße und in der Gleimstraße. (…) Mit der Studie soll untersucht werden, unter welchen Bedingungen eine Fahrradstraße eingerichtet werden kann.“

Die interessierten Besatzungsmitgleider der „Pankow“ mögen also zahlreich erscheinen, um ihre Ansichten in diese Studie mit einzubringen.

Das Treffen verläuft ohne größere Zwischenfälle. Auch der eine, der immer dabei ist und schon ein Jahr zuvor hektisch im Raumschiff hin und her lief, weil er fürchtete, er werde von der Fahrradstraße „überfahren“, fehlt nicht. Dennoch ist die mehrheit der Anwesenden mehrheitlich erfreut darüber, dass es nun endlich losgeht.
 

„Realisierungszeitraum…“

Prenzlauer Berg, unendliche Weiten. Wir schreiben das Jahr 2019.
Nach beinahe einem weiteren Jahr kosmischer Ruhe ertönt nun plötzlich und unerwartet wieder die Stimme von Lieutenant Kuhn durch die Lautsprecher aller Kabinen:

„Eine Informationsveranstaltung zum aktuellen Planungsstand bezüglich der Einrichtung einer Fahrradstraße in der Stargarder Straße findet am Donnerstag, dem 5. September 2019 von 20.00 bis 22.00 Uhr, in der Kulturmarkthalle, Hanns-Eisler-Straße 93, 10409 Berlin, statt. In der Veranstaltung werden zunächst die Ergebnisse der Öffentlichkeitsbeteiligung, der Verkehrsuntersuchung und die Konzeptpläne zur Fahrradstraße in der Stargarder Straße präsentiert. Anschließend wird Vollrad Kuhn, Bezirksstadtrat für Stadtentwicklung und Bürgerdienste, über die weiteren Schritte der Umsetzung und über den voraussichtlichen Realisierungszeitraum informieren.“

Als das Wort „Realisierungszeitraum“ fiel, zuckte die gesamte Besatzung des Raumschiffs Pankow fast unmerklich zusammen.

Kurz darauf die erste sarkastische Rückmeldung aus dem Heizungskeller des Raumkreuzers:

 


 

 

Lesen Sie im nächsten Jahr:

Prenzlauer Berg, unendliche Weiten. Wir schreiben das Jahr 2020…

 



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