Problemzone Bahnhof Pankow/Garbatyplatz. Versuch einer Lösung

 

Im Moment ist es am Garbatyplatz und dem dort gelegenen Eingang zum S- und U-Bahnhof Pankow recht erträglich. Doch sobald die Temperaturen wieder steigen, sind ähnliche Zustände zu erwarten wie im vergangenen Jahr. Da waren der Platz und die angrenzende Bahnhofshalle Treffpunkt für Obdachlose unterschiedlicher Nationalitäten – vorrangig vermutlich Osteuropäer – aber auch für Jugendliche, die auf dem Garbatyplatz heftigst dem Alkohol zusprechen.

Viele Anrainer fühlen sich ebenso wie Beschäftigte und Kunden der Apotheke und des Supermarkts durch die Trinker und Obdachlosen belästigt. Es kam zu vermehrten Ladendiebstählen und von den engen Zwischenräume der doppelstöckigen Fahrradabstellanlagen Bahnhof waberte ein übler Gestank über den Platz: Diese scheinbar sichtgeschützten Stellen werden von den genannten Gruppen offenbar als Toilette genutzt.

Im Juli vergangenen Jahres machte sich der Abgeordnete Stephan Lenz (CDU) ein Bild von der Situation und forderte daraufhin einen runden Tisch mit Gewerbetreibende, Anwohner, Vertreter von S-Bahn, BVG, Polizei und Bezirksamt, um gemeinsam die Situation zu besprechen und nach Lösungen zu suchen. Der Runde Tisch fand nun in den Räumen des Franziskanerklosters in der Wollankstraße statt – was in sofern schon zum Thema passte, als das die Franziskaner dort die Betreuung von Obdachlosen und anderen Bedürftigen zu ihrer Lebensaufgabe gemacht haben.
 

Hochrangige Runde am Tisch

Initiiert wurde das Treffen vom Bundestagsabgeordnete Stefan Gelbhaar, den Mitgliedern des Abgeordnetenhauses Andreas Otto und Fatoş Topaç (alle drei Bündnis 90/ Die Grünen) sowie Stephan Lenz, dem rechtspolitischer Sprecher der CDU-Fraktion im Berliner Parlament.
Die Bezirkspolitik sollte eigentlich durch Sozialstadträtin Rona Tietje (SPD) vertreten sein, doch sie hatte zum selben Zeitpunkt des Runden Tisches einen Ausschusssitzungstermin – und eine Vertretung aus dem Bezirksamt war offensichtlich nicht aufzutreiben.

Mit dabei waren ein Anwohner der Marktleiter des EDEKA am Garbatyplatz, Polizeidirektor Klaus-Dieter Burkowski, Leiter des Polizeiabschnitts Ordnungsamt. Die BVG und S-Bahn hatten ihre Sicherheitschefs Ingo Tederahn und Jörk Pruss geschickt, auch ein Vertreter des Pankower Ordnungsamtes war mit dabei, ein Mitarbeiter der Caritas und ein Streetworker der polnischen Obdachlosenhilfsorganisiation Barka. Das gastgebende Franziskanerkloster war durch Bruder Franziskanerkloster war durch Bruder Andreas Brands vertreten.

 

„Ich möchte unbehelligt zur Bahn kommen“

Eigentlich sollte auch noch ein Vertreter jener Menschen mit am Tisch sitzen, um die bei diesem Austausch ging. „Als es am Helmholtzplatz Probleme zwischen Anwohnern und der dortigen Trinkerszene gab, hatten die unter sich einen Sprecher gewählt“, erklärte Andreas Otto. Das hatte recht gut funktioniert.“ Doch leider seien die sich am Bahnhof Pankow aufhaltenden Menschen nicht in der Situation, sich auf diese Weise selbst zu Wort zu melden.

Zu Wort meldete sich aber Hanno Hall. Der n-tv-Journalist und Mitbetreiber des Lokalblogs „Florakiez.de“ brachte seine Forderung knapp auf den Punkt: „Ich bin Bahnfahrer und möchte unbehelligt zur Bahn kommen. Ich möchte nicht angesprochen und nicht durch Gerüche belästigt werden.“
Im Moment ginge es ja, im Sommer sei aber schlimmer. Hall: „Wenn die Grünen wollen, dass ich mein Auto stehen lasse und U-Bahn fahre, dann sollen sie auch was dafür tun.“

Schon etwas getan hat der EDEKA-Markt im schwarzen Neubau auf dem Garbatyplatz.
Als er vor über drei Jahren dort seine Arbeit aufnahmen, erzählt derb EDEKA-Marktleiter, sei die Situation bedeutend schlimmer gewesen als jetzt. Vor zwei Jahren habe man dann zusammen mit dem Ärztehaus eine Sicherheitsfirma engagiert, die im und vor dem Markt auf Ordnung sorgt. Problematisch sei aber nach wie vor das Aufstellen von Tischen und Stühlen für die Marktkunden. Die locken dann nämlich auch die nicht erwünschte Klientel an – was wiederum die Kunden stört.

 

Polizeidirektor Burkowski: „Die Lage ist nicht besorgniserregend“

Die Obdachlosen sind eigentlich ganz nett und lieb, sagt der EDEKA-Mann. Problematischer seien die Jugendlichen, die sich vor allem in der wärmeren Jahreszeit dort treffen um „vorzuglühen“. Was heißt, dass sie sich vor dem Zug durch Clubs oder Kneipen schon einen gewissen Alkoholpegel antrinken. Manche kommen aber auch gar nicht von dort weg und nutzen den Platz als Freiluftkneipe.

Mit steigendem Alkoholkonsum sinke dann schnell die Hemmschwelle, die jugendlichen Trinker werden aggressiv und pöbeln Kunden des Marktes an. Auch Handgreiflichkeiten gibt es immer wieder – an manchen Tagen müsse mehrmals die Polizei gerufen werden. Zuweilen, so der Marktleiter. mache man das drei, vier Mal am Tag, dann lässt man es doch wieder sein. Man will der Polizei ja auch nicht dauernd auf die Nerven fallen.“

„Rufen sie nur an, dazu sind wir da“, ermunterte ihn daraufhin Polizeidirektor Klaus-Dieter Burkowski, Leiter des Polizeiabschnitts 13Vertreter von Polizei und Vertreter von Polizei. Es sei ja nun nicht so, „als hätten Sie nach dem dritten Anruf alle ‚Joker‘ verbraucht.“

Die Lage am Bahnhof Pankow sei aus polizeilicher Sicht allerdings alles andere als besorgniserregend. Klaus-Dieter Burkowski: „Das, was wir hier innerhalb eines Jahres vorfinden, haben sie auf dem ‚Kotti‘ (dem Kottbusser Tor in Kreuzberg – ODK) innerhalb einer Woche.

 

„Der Tatbestand des öffentlichen Alkoholkonsums ist abgeschafft“

Zudem ist die Zahl der gemeldeten Vorfälle rückläufig. Möglich, dass eine gewisse Dunkelziffer gibt, weil es vielleiucht auch an der Bereitschaft fehlt, bei bestimmten Vorfällen Anzeige zu erstatten.“

Andererseits aber: „Der Tatbestand des öffentlichen Alkoholkonsums ist schon vor längerer zeit abgeschafft worden. Auch für Baumpinkler sind wir nicht zuständig, denn wir sind ja nicht das Ordnungsamt.“
Gegen den Gestank, der aus den als Toilette missbrauchten Zwischenräume der Fahrradabstellanlage über den Platz weht, regte er an, mal mit der BSR zu reden, auf dass sie ein- oder zweimal in der Woche mit einem Tankwagen vorbeikäme und wie Fäkalienecke mit einem kräftigen Wasserstrahl entschärfe.

Natürlich, so Burkowski weiter, könne die Polizei theoretisch auch öfter mit einer mobilen Wache vor Ort sein. An den Tagen, an den sie im vergangenen Jahr vor Ort war, passierte buchstäblich nichts: „Nicht mal ein Fahrraddiebstahl.“
Allerdings seien die Kapazitäten für den Einsatz einer solchen Wache begrenzt, andere, tatsächliche Schwerpunkte hätten da den Vorrang.
 

„Ein Mikrokosmos dessen, was in der ganzen Stadt passiert“

Der Vertreter des Pankower Ordnungsamtes sprach von rund zwanzig Anzeigen, die Obdachlose am Bahnhof Pankow zum Gegenstand hatten. Wenn allerdings Mitarbeiter des bezirklichen Ordnungsdienstes am Garbatyplatz vorfuhren, befanden sich die Betroffenen innerhalb des Bahnhofs – das Ordnungsamt ist aber nur für das öffentliche Straßenland zuständig.

S-Bahn-Sicherheitschef Jörk Pruss war der Ansicht, dass das, was sich am Bahnhof Pankow abspielt, sozusagen ein Mikrokosmos dessen sei, was in der ganzen Stadt passiert. Der Druck aus Osteuropa sei groß, vielen Menschen kämen von dort und strandeten hier. Und die Politik agiere da nicht immer hilfreich. Als zum Beispiel ein Obdachlosencamp im Tiergarten geräumt wurde, geschah das ohne Abstimmung mit anderen Institutionen, die den Menschen vielleicht eine Alternative zu ihrem bisherigen Platz hätten bieten können. „Was passiert? Sie schlagen an den Bahnhöfen auf, die immer offen sind.“

Am Bahnhof Pankow, so Pruss weiter, sind mittlerweile die Reinigungsleistungen erhöht worden. Vor- und Nachmittags sei ein Präsenz-Team der S-Bahn-Sicherheit vor Ort und demnächst werde die Sicherheitsabteilung der Deutschen Bahn dort einen Stützpunkt errichten, an dem zwischen 80 und 100 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter Schichtbeginn haben oder Feierabend machten – was ja auch eine Art Präsenz sei.

Auch Ingo Tederhahn, Sicherheitschef der BVG, konnte den Bahnhof Pankow nicht wirklich als (Un)Sicherheitsschwerpunkt erkennen. Die Station zähle in dieser Hinsicht nicht einmal zu den „Top Ten“ bei den Verkehrsbetrieben. Auch er war sich sicher, dass ein bloßes Vertreiben sinnlos ist. Zwar hätte sich die erteilten Platzverweise drastisch erhöht, aber das bringt nichts: „Die Obdachlosen haben im Gegensatz zu unseren Mitarbeitern immer Zeit. Entweder warten sie, bis unsere Leute wieder weg sind – oder sie begeben sich zu einem anderen Bahnhof.“

Was aber dann tun?

 

„Obdachlosigkeit ist ein soziales Problem“

Eine Möglichkeit wäre, die Menschen, so sie zu den osteuropäischen Obdachlosen zählen, dazu zu bringen, in ihr Heimatland zurückzukehren.

Wojtek Greh arbeitet für Barka, einer Organisation, die Obdachlosen in Polen eine Bleibe und ein Resozialisierungsprogramm anbietet, wenn nötig auch eine Drogentherapie. Alkohol aber ist dort strikt verboten. Nachdem der polnischen Regierung gewahr wurde, wie groß die Zahl von ihm Ausland gestrandeten Polen tatsächlich ist, beauftragte sie Barka, Wege zu finden, die Menschen zurück ins Heimatland zu holen.

In London und Amsterdam, so berichtet der polnische Sozialarbeiter, wurden von seiner Organisation schon um die 20.000 Landsleute wieder zurückgeholt. In Berlin habe es bisher nur ein Pilotprojekt gegeben, bei dem mehr als zwanzig menschen zur Rückkehr bewegt werden konnten. Ende Dezember sei das Projekt erst einmal ausgelaufen, er hoffe aber auf eine Wiederaufnahme.
Die Zahl der in Berlin lebenden polnischen Obdachlosen schätzt der Barka-Vertreter auf 3.000 bis 4.000.

Auch Fatoş Topaç, die sozialpolitische Sprecherin der Bündnisgrünen im Abgeordnetenhaus war ist der Meinung: Verdrängen, zumal mit polizeilichen Maßnahmen, hilft nichts. Obdachlosigkeit ist ein soziales Problem. Im Winterhalbjahr gäbe es zwar die Kältehilfe, aber die sei erst einmal nur dazu da, Menschen vor dem erfrieren zu bewahren. Man benötigt aber auch Tagesangebote.

 

„Im Moment spielen wir mit ihnen Flipper: BVG, Bahn, Ordnungsamt, Polizei“

Solche gibt es zum Beispiel im nur ein paar hundert Meter vom Bahnhof Pankow entfernten Franziskanerkloster. Zwischen 200 und 400 Mahlzeiten gebe die dortige Suppenküche aus, berichtete Bruder Andreas Brands. Auch kann man dort duschen, es gibt eine Kleiderkammer und ein Angebot zur Sozialberatung steht ebenfalls zur Verfügung.
Allerdings herrscht im Kloster striktes Alkoholverbot. Eine Hürde, die wohl viele von der Bahnhofsklientel nicht überspringen können.

„Eigentlich wissen wir ja nicht einmal, wer diese Leute sind“, gab Polizeidirektor Klaus-Dieter Burkowski schließlich zu bedenken. „Sind es tatsächlich Polen? Oder vielleicht doch Bulgaren oder Rumänen? Wir wissen ja nicht einmal welche Sprache sie sprechen. Wir wissen nur, dass sie uns stören. Im Moment spielen wir mit ihnen Flipper: BVG, Bahn, Ordnungsamt, Polizei. Einer schiebt sie zum anderen. Wenn wir am Garbatyplatz etwas ändern wollen, müssen wir erst einmal unsere Hausaufgaben machen.“
Als erstes müsse man mit den Menschen einen Kontakt herstellen.
 

Wer bezahlt die Helfer?

Das aber, so Burkowski, könne nicht Aufgabe der Polizei sein. „Solange die Leute nichts verbrochen haben, sind wir gar nicht befugt, irgendwelche Daten über sie zu erheben.“ Nötig wäre eine muttersprachliche Kontaktaufnahme, möglichst durch einen sozialen Träger – zum Beispiel der Caritas.

Der Vertreter dieser Organisation stimmte dem zwar zu, musste aber klarstellen, dass es der Caritas schlicht an finanziellen Mitteln fehle, um entsprechende Mitarbeiter zu bezahlen.

Das wäre nun der Moment der Pankower Sozialstadträtin gewesen, in das Gespräch einzusteigen und möglicherweise eine Zusage zu machen, sich um die – zeitlich begrenzte – Bezahlung eines Sozialarbeiters für das Problemfeld Garbatyplatz zu kümmern. Doch die befand sich – wie gesagt – auf einer BVV-Ausschusssitzung.
So übernehmen es die in der Runde vertretenen Abgeordneten, bei den zuständigen Stellen darauf zu dringen, dass der Caritas die nötigen Mittel zur Verfügung gestellt werden.
 

Keine Lösung, aber ein Ansatz

So ging man zwar mit keiner Lösung des Problems in der Tasche auseinander – aber immerhin mit Lösungsansätzen.
So wollen Bahn, BVG und Ordnungsamt mit dem Einverständnis des jeweiligen „Hoheitsträgers“ auch auf dem Gebiet des jeweils anderen – U-Bahn, S-Bahn, öffentliches Straßenland – tätig werden.

Des weiteren sollen mehrsprachige Plakate am Garbatyplatz und in den Bahnhofsgelassen ausgehängt werden, auf denen mehrsprachig auf die Hilfsangebote des Franziskanerklosters aufmerksam gemacht. Auch das Ordnungspersonal soll dementsprechende Hinweise geben – in der Hoffnung auch irgendwie verstanden zu werden.

Und dann natürlich die Kontaktaufnahme durch einen sprachkundigen Caritas-Mitarbeiter, der durch einen in Zivil und offiziell nicht im Dienst befindlichen Kontaktbereichsbeamten begleitet werden könnte.

Im Juni dieses Jahres will sich die Runde wieder zusammensetzen und die bis dahin gewonnenen Ergebnisse auswerten.

 



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