„Hier geht es um Interessen!“

Kirchner Interview 2

 

Im zweiten Teil des Gesprächs mit Bezirksstadtrat Jens Holger Kirchner geht es um die verschiedenen Interessen der an der Auseinandersetzung um die zukünftige Gestaltung des Thälmannparks Beteiligten: Das Bezirksamt, die Anrainer, die Anwohner-Initiative… – und dann ist da noch der Eigentümer, der die Fläche zwischen dem Park und dem S-Bahnhof Greifswalder Straße gekauft hat. Er ist im Bezirk kein Unbekannter…

 

Titel4cWie auf der letzten Bezirksverordnetenversammlung wieder deutlich wurde, kommt der Bezirk schon jetzt nicht mehr mit der Bereitstellung von Infrastruktur – also Kitas, Schulen, Turnhallen, Freizeiteinrichtung etc. – hinterher. Wenn nun auch noch auf der Brache am Bahnhof Hochhäuser mit 600 bis 800 Wohnungen errichtet werden, verschärft sich das Problem dann nicht noch mehr?


Von dieser Warte aus gesehen, dürften wir in ganz Pankow schon jetzt keine einzige Baugenehmigung mehr erteilen, weil wir schon jetzt jedes Jahr eine neue Grundschule bräuchten. Insofern ist die Logik nicht schlüssig. Denn sicherlich muss die Kommune für die Infrastruktur sorgen. Aber allein auf Grund des – auch perspektivischen - Fehlens von Infrastruktur Baurecht zu versagen, ist eine höchst schwierige Angelegenheit.

Titel4cDas mag überall da zutreffen, wo nach dem berühmten Paragraf 34 des Baugesetzbuches in der Regel immer Baurecht zu gewähren ist. Beim Gelände des ehemaligen Güterbahnhofs hat der Bezirk aber freie Hand und kann selbst darüber befinden, ob überhaupt Baurecht gewährt wird. Warum sollte man diese starke Position nicht nutzen?


Ich mache Ihnen einen konstruktiven Vorschlag: Reden Sie mit dem Eigentümer, ob er bereit ist, Ihnen die Fläche zu verkaufen oder ob er bereit ist, es dem Bezirk zu verkaufen. Ich trete dann sofort in Verhandlungen ein. Das ist der Weg.

titel1aDer Weg zur Grünfläche, die wir ja eigentlich alle haben wollen?


Wer ist alle? Es ist ja noch gar nicht klar, ob wir die haben wollen. Das ist ja erstmal nur ein Vorschlag der Anwohner-Initiative.
Die Fachverwaltung sagt hingegen, wir wollen da keine Grünfläche, denn wir haben nicht einmal das Geld, um die bestehenden Grünflächen zu pflegen. Die Schulverwaltung sagt: Wir brauchen einen Schul- Campus. Die Sportverwaltung sagt, wir benötigen dort Sportflächen - und Sportflächen sind keine Grünanlagen. So gibt es also die eine Meinung der Anwohner-Initiative – aber es existiert auch noch eine ganze Facette von weiteren Bedarfen auf dieser Fläche. Und das ist abzuwägen.

Titel4cDer Eigentümer des Güterbahnhofsgeländes ist ja kein Unbekannter in Prenzlauer Berg. Auf einer anderen Baustelle hatte der Bezirk mit ihm so gravierende Probleme, dass Sie ihn öffentlich als vertragsbrüchig und unzuverlässig bezeichneten.

Ja.

Titel4aDa stellt sich die Frage, warum Sie mit einem von Ihnen so eingeschätzten Eigentümer kooperieren wollen, obwohl Sie nach dem Baurecht dazu doch überhaupt nicht verpflichtet sind?


Ich sortiere nicht nach dem, was ich persönlich empfinde, sondern kann an dieser Stelle nur sagen: Er ist der Eigentümer.
Er i s t der Eigentümer!
Und wir sind verpflichtet, mit ihm zu reden. Ich bin sogar verpflichtet seine Wünsche und Vorstellungen ernst zu nehmen.

titel1aDer Bezirk ist doch nicht verpflichtet, ihm dort Baurecht zu gewähren?


Nein, das sind wir nicht. Aber er hat die gesamte Fläche gekauft – egal, ob uns das passt oder nicht. Und: Wir wollen einen Schulcampus bauen. Ich denke, das ist an dieser Stelle dann auch schon die Antwort.
Denn es ist ja nicht so, dass ich mir das aussuchen könnte, mit welchen Investoren ich zusammenarbeite... - Hier geht es um Interessen. Es geht um den Abgleich von Interessen, um das Einbringen öffentlicher Interessen und um die Vorstellungen von der Entwicklung städtebaulicher Ziele.

Titel4aVerfügt der Bezirk nicht über die Möglichkeit, dem Eigentümer die für einen Schulbau notwendigen Flächen zum Verkehrswert abzukaufen – und im Falle einer Verweigerung auch ein Enteignungsverfahren in Gang zu setzen?


Natürlich. Aber das ist nicht mein Ziel. Mein Ziel ist es, dass dieses Gebiet nach einer städtebaulichen Idee entwickelt wird.

Titel4aWie kommen Sie zu der Annahme, dass jemand, der nach Ihrer eigenen Einschätzung seine Unzuverlässigkeit bereits unter Beweis gestellt hat, sich nun plötzlich an Abmachungen halten könnte?


Weil es sich erstens mittlerweile um mehrere Eigentümer handelt und ich zweitens denke, dass jeder auch seine Verantwortung wahrnehmen muss. Oder anders gesagt: Obwohl Sie schon mal Mist in Ihrem Leben gebaut haben, rede ich doch trotzdem noch mit Ihnen – und obwohl ich schon mal Mist gebaut habe, reden Sie doch auch noch mit mir.
Das finde ich jetzt nicht fair, wie Sie da an die Sache herangehen. Ich sage: Wir wissen um die Stärken und Schwächen des Eigentümers. Das macht man übrigens auch nicht öffentlich...

titel1aDas ist aber hinreichend öffentlich behandelt worden.


In Bezug auf die Gleimstraße 52, völlig richtig. In diesem Fall kritisiere ich ihn auch stark und da hat er auch deutliche Lücken hinterlassen.

titel1aSie sprachen vorhin von Interessen. Auf der einen Seite gibt es die Interessen der Anwohner…


Achtung: Die Interessen der Anwohner-Initiative! Ich freue mich schon auf die Erörterungsveranstaltung...

Titel4c…und auf der anderen Seite das Interesse nur eines Eigentümers, des potenziellen Investors.
Sind also die Interessen eines einzigen Eigentümers mit etlichen Hektar genauso viel wert, wie die Interessen von einhundert, fünfhundert, eintausend oder noch mehr Bürger?


Es ist übrigens nicht nur ein Eigentümer, auch die Wohnungsbaugenossenschaft Zentrum oder die GEWOBAG haben Interessen angemeldet.

titel1aEs ist die Frage nach der Gleichwertigkeit: Einer hier – tausend dort…


Das hat mit Gleichwertigkeit überhaupt nichts zu tun. Wir nehmen jeden einzelnen Hinweis wahr und ernst. Ohne Ansehen der Person. Ohne Ansehen der Herkunft. Auch ohne Ansehen der Zusammenhänge. Insofern ist der Eigentümer nicht mehr oder weniger wert, als jeder andere – aber er ist ein wichtiger Player in diesem Gebiet. So, wie übrigens auch Vivantes, die GEWOBAG oder die WBG Zentrum oder die Eigentümer des Grundstücks an der Danziger Straße Ecke Prenzlauer Allee oder die Schulleiter oder das Planetarium... . Sie bauen hier so eine künstliche Trennung auf: Dort die armen Bürger... - das läuft so nicht.

titel1aDie Frage stellt sich in diesem Fall aber schon, ob Sie in diesem Fall die Interessen der Bürger…


Ich vertrete alle! Ich vertrete die Kinder und Jugendlichen, die keinen Sportplatz haben genauso, wie die Bürgerinnen und Bürger, die in ein wirklich ordentliches Kulturhaus gehen wollen und nicht in ein solch verfallenes. Ich vertrete im Übrigen auch die Mieterinnen und Mieter genauso, wie die Patienten des Vivantes-Krankenhauses oder die Angestellten in den maroden Verwaltungsgebäuden. Ich vertrete darüber hinaus die Jugendlichen, die in eine Jugendfreizeiteinrichtung gehen wollen und die Menschen, die in dem Park nicht auf einer versifften und völlig verseuchten Wiese liegen wollen. Ich vertrete diejenigen, die ins Planetarium oder in die Schwimmhalle gehen wollen. Und ich vertrete auch die neuen Bewohner des Thälmannparks, die ich herzlich willkommen heiße. Und auch den Eigentümer, der da Grundstücke hat, mit Verlaub !
Deshalb ist dieser Streit völlig kontraproduktiv. Es geht beim Thälmannpark um einen wichtigen Teil dieser Stadt und da macht es nur Sinn, wenn man ihn gemeinsam entwickelt. Punkt!

 

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Kommentar zu “„Hier geht es um Interessen!“”

  1. Magdalena

    Mrz 12. 2014

    Da verschlägt es einem doch jedes mal wieder die Sprache, wie ein Grüner einen solchen Scheiß von sich geben kann. Grüne Ideale kann ich in so einer Politik wohl umsonst suchen. Das heisst wohl für die nächste Wahl das das Kreuzchen wo anders hinwandern muss. Was mich allerdings wundert, wie der Typ noch in den Spiegel gucken kann.

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