Wider den Sexismus oder: Onanie macht nicht satt

annehelm

 

Nein, das war keine gute Idee.

Als vor rund zwei Wochen die Ergebnisse der Koalitionsverhandlungen zu den Themen Frauen und Gleichberechtigung verkündet wurden, schickte die Linkspartei ihre Neu-Abgeordnete Anne Helm zu den wartenden Journalisten. Und die verkündete glücklich, dass „sexistischer Werbung“ – was wer auch immer darunter verstehen mag – künftig auf landeseigenen Plakatwänden und -säulen verboten werde.

Ausgerechnet Anne Helm.

Ein Scherzbold bei der taz titelte daraufhin „Einigung in Berlin – Koalition gegen nackte Brüste“.

Denn Anne Helm erlangte im Februar 2014 – da gehörte sie noch der Piratenpartei an und war Bezirksverordnete in Neukölln – bundesweite Bekanntheit, als sie öffentlich die Flächenbombardements der britischen Luftwaffe auf Dresden bejubelte, bei denen 25.000 Menschen ums Leben kamen.
Damit dieser Jubel auch seine gebührende Aufmerksamkeit erhielt, ließ sie sich die Worte „Thanks Bomber Harris“ auf den Oberkörper pinseln und hernach barbusig vor der Dresdner Skyline ablichten. Gemeint war des Oberbefehlshaber des Royal Air Force Bomber Command Arthur Travers Harris, der die systematischen Angriffe auf die Zivilbevölkerung befahl.

 

„Entschuldigung“ statt Reflektion und Einsicht

Mutig, wie sie war, hatte sie vor der Fotosession einen etwas hilflos anmutenden Versuch unternommen, sich mittels einer Art Behelfs-Nikab unkenntlich zu machen (denn wenn man schon seine Meinung so spektakulär öffentlich äußert, will man ja nicht auch noch erkannt werden, nicht wahr?). Dennoch wurde sie nur wenige Tage später „enttarnt“.
Sie leugnete erstmal, mit der fotografierten Person identisch zu sein – bis es schließlich nichts mehr zu leugnen gab.

Die Begründung, die sie danach für das Abfeiern von 25.000 Toten abgab, war ein grandioses Zeugnis intellektueller und politischer Unreife:

„Ich wollte damit vor allem gegen die Art und Weise demonstrieren, wie die Stadt Dresden und die Lokalverwaltung dieses Gedenken begeht. Dass man stolz ist, dass es keine Eskalation gab, dass man es geheim hält, dass der große Naziaufmarsch einen Abend vorher stattfindet, wo die ganzen Antifaschisten noch auf der Anreise sind. Und dass man dann unter dem Motto „Für die Heimat“ Seite an Seite der Opfer gedenkt und sich Szenen abspielen wie diese, dass eine Frau in der Frauenkirche fragte, wo sie eine Kerze für die Opfer der Shoa anzünden könne, und die Antwort kriegte: ‚Hier nur für Deutsche Opfer'“

Im Klartext: Weil in der Gegenwart Nazidemonstrationen durch Dresden zogen, war es gut, dass die Stadt siebzig Jahre zuvor in Schutt und Asche gelegt wurde und 25.000 Kindern, Frauen und Männern im Feuersturm umkamen.
Angesichts dieser kruden Logik im Namen des „Antifaschismus“ dürfte der Sekt bei der NPD, der AfD, bei Pegida und Konsorten in Strömen geflossen sein.

Es dauerte noch Tage, bis sich Anne Helm unter dem Druck der Parteien in der Neuköllner BVV zu einer „Entschuldigung“ durchringen konnte. Darin erklärte sie, dass sie einsehe dass sich durch ihr Auftreten Aktion „eine Vielzahl von Menschen verletzt fühlt“ und es ihr fernläge, „die Opfer des zweiten Weltkrieges und ihre Angehörigen zu verletzen.“

Dass sie mit ihrer Aktion die vorsätzliche und systematischen Zerstörung von Wohngebieten, ziviler Infrastruktur (Arthur Harris: „Historischer Stadtkern brennt gut“) und des damit verbundenen Tötens zehntausender Zivilisten („Moral Bombing“) bejubelt hatte, was – zumindest nach heutigen Maßstäben – ein Kriegsverbrechen darstellt, war ihr jedoch kein Wort wert.

Da drängt sich ganz nebenbei die Frage auf: Welchen Wert haben Verurteilungen von Kriegsgräuel aus dem Mund von Politikern der Linkspartei, wenn man sich dort sehenden Auges eine Befürworterin von Kriegsverbrechen („Thanks“) nicht nur in die Partei holt, sondern sie auch noch binnen kurzer Frist auf einen aussichtsreichen Listenplatz für die Wahl in ein Parlament setzt?

 

Trampelnde Elefantenherde

Es war wirklich keine gute Idee, ausgerechnet Anne Helm nach vorn zu schicken.

So unterbelichtet und politisch unreif, wie sie sich während und nach ihrer „antifaschistischen“ Aktion in Dresden gab, so bestimmend zeigte sie sich bei der Verkündung des „antisexistischen“ Plakatbeschlusses.

Die taz, die nach Aufforderung von Anne Helm willfährig ihre beziehungsreiche Überschrift „Koalition gegen nackte Brüste“ in „Koalition gegen Sexismus“ änderte, berichtet:

Es gehe dabei nicht grundsätzlich darum, keine Nacktheit mehr zu zeigen, sagt Anne Helm, die für die Linksfraktion das Thema in den Koalitionsrunden mit verhandelt hat. Denn Sexualität sei ja nicht gleich Sexismus. „Es geht um Werbung, in der Frauen zu Objekten herabgewürdigt werden oder wo die klassischen Mann-Frau-Stereotypen verbreitet werden“, sagt Helm. „Und das kann auch eine reine Textanzeige sein.“

Das ist nun schon keine Nachtigall mehr, die man da trapsen hört – das ist das dumpfe Grollen einer trampelnden Elefantenherde.

Mit Frauenfleisch zu werben, macht uns Frau Helm da unterderhand klar, ist nicht sexistisch, wenn sie selber blankzieht – denn hier handelt es sich ja nicht um ein „Mann-Frau-Stereotyp“.

Das Gegenteil ist der Fall.

Denn was ist schon ein Reklameposter für ein Waschmaschinenmodell mit darauf abgebildeten halbnackten Frauen gegen die Verdinglichung des weiblichen Körpers zu einer Litfaßsäule (mithin „zum Objekt herabgewürdigt“), auf der für ein Kriegsverbrechen gedankt wird?

 

Anne Helm sieht massenhaft Dinge, die offenbar sonst niemand sieht

Frau Helm nach vorn zu schicken, war keine gute Idee.

Oder doch?

Vielleicht hatten sich die Verhandler der Linkspartei ja irgendwas dabei gedacht – etwa: Wenn wir schon höchst Fragwürdiges zu verkünden haben, dann soll das auch eine adäquate Person tun? Denn fragwürdig ist dieser Beschluss allemal.

In einer Zeit, in der sich jeder jeden Alters an jedem Ort – also auch im „öffentlichen Raum“ – per Smartphone Pornos jeglicher Machart betrachten kann, ist eine solche „antisexistische“ Maßnahme natürlich schon aus volkserzieherischen Gesichtspunkten höchst wirksam. Na klar.

Wie groß der Bedarf nach einer solchen Regelung ist, zeigen die Ergebnisse im Bezirk Friedrichshain-Kreuzberg. Dort gibt es ein solches Verbot für die bezirkseigenen Werbeflächen bereits seit 2014.
Um dieses Verbot durchzusetzen, wurde extra eine Arbeitsgemeinschaft ins Leben gerufen, die entsprechende Beschwerden prüfen soll. Bisher eingegangene Hinweise: Null.

Warum das dennoch auf die ganze Stadt ausgedehnt werden soll, erklärte Anne Helm in der taz so::

„Wenn ich durch die Stadt laufe, sehe ich so viel sexistische Werbung, da muss die Politik Verantwortung übernehmen – da können wir nicht nur AktivistInnen die Arbeit machen lassen.“

Es geht also gar nicht darum, dass sich Frauen zuhauf diskriminiert fühlen, sondern darum, dass Anne Helm „sehr viel“ Dinge sieht, die alle anderen Menschen nicht sehen. Anne Helm und ein paar „AktivistInnen“.
 

Ressourcenverschleuderung für nichts

Da der von Helm gefühlte „Sexismus“ für ein gerichtsfestes Verbot nicht ausreichen dürfte, wird nun eine ganze Verwaltung in Trab gesetzt:

„Das zumindest im Fall für die Vergabe von Werberechten konkret zu machen sei dann Aufgabe des künftigen Senators für Stadtentwicklung, so Helm. ‚Das muss dann in der Vergabeverordnung ausformuliert werden.’“
Quelle: taz

Die Mitarbeiter jener Senatsverwaltung, die bisher ja bekanntlich unter akutem Arbeitsmangel gelitten hatten, werden sich freuen, endlich mal wieder etwas zu tun zu bekommen.
Ähnliche Begeisterung wird es bei den Verwaltungsrichtern geben, deren jahrelang andauernder Müßiggang durch mögliche Klagen von sich ihrerseits diskriminiert fühlenden Werbern unterbrochen wird.

Da werden künftig also Ressourcen gebunden, die die Stadt sowieso schon kaum hat, für Dinge, die – siehe Friedrichshain-Kreuzberg – niemand braucht. Außer Anne Helm und ein paar „AktivistInnen“. Haben wir in dieser Stadt wirklich keine anderen Probleme?
 

Folgenlose Schaufensterpolitik

Ach, wenn es doch um tatsächliche Diskriminierung von Frauen ginge, und nicht um den Spleen einiger weniger „AktivistInnen“. Wenn man doch wenigsten die schärfste, die nachhaltigste, die einschneidenste Diskriminierung, wenn schon nicht abzuschaffen, so doch zumindest abzumildern versuchte: Die überwiegend erbärmliche Entlohnung der sogenannten „Frauenberufe.“

Erzieherinnen und Krankenschwestern zum Beispiel, denen wir das Wertvollste anvertrauen, das wir haben: Unsere Kinder, unsere Gesundheit, unser Leben. Sie müssen noch heute mit einem Salär auskommen, das den ach so heroischen und meist gutsituierten Kämpferinnen gegen „Sexismus“ und „Diskriminierung“ der Weiblichkeit auf Reklamepostern eigentlich die Schamesröte ins Gesicht treiben müsste.

Geld ist zwar nicht alles, aber ohne Geld ist alles nichts. Geld verschafft Unabhängigkeit und ist die allererste Anerkennung für erbrachte Leistung.
Hier wird tatsächlich diskriminiert – offen, schamlos und zuweilen sogar auf der Grundlage von Tarifverträgen.

Weist man die Vorkämpferin wider den Sexismus auf diesen profanen Umstand hin, bekommt man Erstaunliches zu hören: Was man denn habe, schließlich stehe die bessere Entlohnung der Frauen doch im Programm ihrer Partei. Doch wehe, man fragt: Na und, mit welchen Folgen?
 

helm-twitter
 
Parteiprogramme, das schien Anne Helm für einen Moment vergessen zu haben, kann man nicht essen – selbst dann nicht, wenn sie auf veganem Papier aus garantiert biologischem Anbau geschrieben wurden. Mit Parteiprogrammen kann man auch keine Miete bezahlen.

Nicht Parteiprogramme machen Frauen unabhängig. Nicht das Verbot „sexistischer“ Werbung, die nur Helm und einige „AktiivistInnen“ wahrnehmen, schafft weniger Diskriminierung, sondern die anständige Entlohnung der Frauen.
 

Selbstbefriedigung für ein paar „AktivistInnen“

Wirklich etwas gegen die Diskriminierung von Frauen zu unternehmen, hieße zum Beispiel, das Gehalt von Erzieherinnen zu verdoppeln.
Das Land Berlin kann darauf direkt Einfluss nehmen, denn es betreibt selbst zahlreichen Kindertagesstätten. Und man kommen nicht mit dem „Argument“, es fehle dafür an Geld.

Wer soviel im Landessäckel hat, dass es sogar für die kostenfreie Kitabetreuung für Besser- und Bestverdienende reicht, der kann auch die Mittel für eine nicht mehr diskriminierende Bezahlung aufbringen.
Und wenn doch nicht, dann wird die Einführung einer Kostenbeteiligung von Familien mit einem Pro-Kopf-Einkommen von – wasweißich – mehr als 2.000 Euro (bei einer dreiköpfigen Familie wären das 6.000 Euro) Abhilfe schaffen.

Sicher ist das unter Umständen schwerer Durchzusetzen, als eine sinnlos Ressourcen vergeudende Symbolpolitik wider die Pin-Up-Girls an der Litfaßsäule.
Das absurde Zensieren von Reklame bringt all den Frauen, die Monatsende für Monatsende trotz aufreibender Arbeit Ebbe in ihrer Haushaltskasse haben, nicht einmal den Hauch einer Entlastung von der schwerwiegendsten Diskriminierung, die man sich in unserer auf Geld gegründeten Gesellschaft vorstellen kann: Der ökonomischen Benachteiligung.

Dieser „Antisexismusbeschluss“, den niemand braucht, ist Pipifax, der von den tatsächlichen, den existenziellen Problemen von Frauen ablenkt und sie auf einen Platz weit hinten in der Reihe verweist.

Er ist, gleich all des anderen angeblich eine „Diskriminierung“ aufheben sollenden Quatschs – wie Binnen-I, Sternchen oder sonstige Verhunzungen der deutschen Schriftsprache; wie die ellenlange Diskussion um die Einrichtung von „Unisex-Toiletten“ (während die Schulklos zu Tausenden verrotten) und anderen symbolischen Unsinns – die Selbstbefriedigung einiger weniger „Aktivistinnen“.

Es ist nichts weiter als – bleiben also beim Thema – die blanke Onanie.

 

 



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